1 | 1 | | Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder hat einen von der |
| 2 | | Volkswagen AG zur Verfügung gestellten Wagen genutzt und wird nun allenthalben dafür |
| 3 | | gelobt, daß er den ihm damit zugeflossenen geldwerten Vorteil versteuert und außerdem |
| 4 | | für die Beachtung der Vorschriften über die Anrechnung von Nebeneinkünften Sorge |
| 5 | | getragen hat. Sicher zeigt sich darin ein Bemühen um Korrektheit. Ist aber Korrektheit in |
| 6 | | steuer- und besoldungs- oder diätenrechtlichen (6) Fragen wirklich alles, was man von |
| 7 | | Politikern im Umgang mit Zuwendungsangeboten ihrer politischen Kundschaft verlangen |
| 8 | | kann? |
2 | 9 | | Für die spendierfreudigen Unternehmen handelt es sich bei der kostenlosen |
| 10 | | Überlassung ihrer Produkte an Politiker um etwas grundsätzlich Legitimes, nämlich um |
| 11 | | Werbung. Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl rechnet Werbung für die |
| 12 | | Erzeugnisse der einheimischen Wirtschaft gar zu den Pflichten eines Politikers. Das müßte |
| 13 | | man gewiß für einen edlen Gedanken halten, wenn dabei an Pflichterfüllung aus eigener |
| 14 | | Tasche gedacht worden wäre. Auch dem erwünschten Werbeeffekt wäre, wenn es wirklich |
| 15 | | um ihn ginge, mit einer durch eigene Zahlungsbereitschaft beglaubigten Politikervorliebe |
| 16 | | für Volkswagen oder BMWs wohl besser gedient als mit der Entgegennahme von |
| 17 | | Werbegeschenken. |
3 | 18 | | Worum geht es aber wirklich? Wenn Herrn Schröder der VW, Herrn Stoiber die |
| 19 | | BMWs und Herrn Streibl die Flugmaschinen zum Zweck der Kundenwerbung überlassen |
| 20 | | worden wären, sollte man erwarten, daß wir den Herren mit ihren Transportmitteln im |
| 21 | | Werbefernsehen begegneten und ihre Motive uns in den Anzeigenseiten der Presse |
| 22 | | erläutert würden: »VW fahren - mein Beitrag zum Umweltschutz«. |
4 | 23 | | Tatsächlich aber wird hier am liebsten ganz im stillen geworben. Ein Paradox? |
5 | 24 | | Nur auf den ersten Blick. Denn geworben wird nicht mit den Politikern, sondern um |
| 25 | | sie. Nicht um Einfluß auf potentielle Kunden geht es also, sondern um Einfluß auf die |
| 26 | | Politik. Zuwendungen dieser Art sollten Politiker nicht versteuern, sie sollten sie sich |
| 27 | | verbitten. |