1 | 1 | | Als vor zwanzig Jahren die Neue Frauenbewegung ihren Aufbruch vorbereitete, |
| 2 | | hatte sie vor allem eins im Sinn: die Öffentlichkeit zu gewinnen - auch für ihre Anliegen, |
| 3 | | vor allem aber für Präsenz. Daß sie, die Frauen, nicht genauso wie die Männer auf Podien |
| 4 | | und Tribünen glänzten, nicht genauso in Parlamenten und Medien auftraten, das [id:53123] |
| 5 | | sie zu Beginn unsrer auf Selbstdarstellung versessenen Epoche am meisten. Sie stritten für |
| 6 | | ihr Recht auf Macht und Ruhm und hatten hier und da Erfolg. Inzwischen sind wir soweit, |
| 7 | | daß im Fernsehen die alte Frage neu gestellt wird: Was verändert sich eigentlich, wenn |
| 8 | | Frauen das Heft in die Hand nehmen? Läuft nicht doch alles wie gehabt? Oder wandelt |
| 9 | | sich mit dem Geschlecht der Person im Amt auch das Amt und damit [id:53124]? |
2 | 10 | | Der Unterschied ist auch hier ein kleiner, seine Folgen ab er sind womöglich groß. |
| 11 | | Was sich ändert, sind so schwer faßliche Gegebenheiten wie Atmosphäre, Stil und |
| 12 | | Akzente, vielleicht allerdings auch Massiveres wie Prioritäten, Hierarchien und die |
| 13 | | Festigkeit des »Drahts« zur Bevölkerung. Frauen bringen alles in allem über die |
| 14 | | Frauenförderung hinaus [id:53125] in die Politik. Aber es ist die Frage, ob all die schwer |
| 15 | | faßlichen Einzelheiten, die da plötzlich anders aussehen, nachdem eine Frau Ministerin |
| 16 | | den Amtseid abgelegt hat, nicht in der Summe doch viel mehr bewirken, als neue |
| 17 | | Programme es könnten. Denn was in der Politik vor allem stört, sind ja »die Strukturen«. |
| 18 | | [id:53126] verfügen da, so scheint es, über einen geheimen Weichmacher. |
3 | 19 | | Anna Doubeks Film stellte vier prominente »Politikerinnen mit Macht« vor. |
| 20 | | Ministerin Eva Rühmkorf aus Schleswig-Holstein, Senatorin Heide Pfarr und Kollegin |
| 21 | | Michaele Schreyer aus Berlin sowie Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Doubek |
| 22 | | interviewte ihre Stars, begleitete sie, erzählte über sie, befragte männliche Mitarbeiter |
| 23 | | nach ihrer Erfahrung mit den ranghohen Damen. Die Befunde waren jeweils sehr ähnlich. |
| 24 | | Engholm sprach von einer »zivileren Atmosphäre«, die durch weibliche |
| 25 | | Regierungsmitglieder gestiftet würde. Momper ergänzte, hierarchische |
| 26 | | Führungsmethoden würden von Frauen [id:53127] und die Wünsche des Volkes von ihnen |
| 27 | | rascher erkannt. Während Männer - so ein Schreyer-Mitarbeiter - ihren Status persönlich |
| 28 | | nehmen und sich in ihm spreizen, nehmen Frauen die Sache persönlich und stürzen sich |
| 29 | | »leidenschaftlich« (Momper über Schreyer) in die Schlacht. »Ich denke«, sagt Rita |
| 30 | | Süssmuth, »uns Frauen sind die [id:53128] nicht so wichtig. Da wir um der Sache willen in |
| 31 | | der Politik sind, drängen wir aufs Handeln.« |
4 | 32 | | Ein gar zu [id:53129] Resümee? Man befürchtet es fast. Denn wie steht es mit der |
| 33 | | Rivalität unter Frauen, ihrer notorischen Neigung zur Intrige, ihrer Scheu vor Kampf mit |
| 34 | | offenem Visier? Keine Sticheleien beim rituellen Hexenfrühstück der acht Senatorinnen |
| 35 | | von Berlin? Aber wo, [id:53130]. Die anderen wirken als nötige Stütze und Solidar- |
| 36 | | Partnerinnen, man spricht sich ab und zieht sich mit. Daß die Alibi-Frau, die einzige in |
| 37 | | einer Männerrunde, gar nicht anders kann, als sich an die männlichen Muster anzupassen, |
| 38 | | das wird jetzt, da es ein weibliches »Milieu« gibt, praktisch ersichtlich; jener Effekt ist nur |
| 39 | | durch eine Quote [id:53131] |
5 | 40 | | »Und wer die Quote nicht will«, sagt Rita Süssmuth, »muß beweisen, daß er die |
| 41 | | Frauen will.« |