1 | 1 | | Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel hat selten Zeit für seine |
| 2 | | Frauenbeauftragte Gabriele Steckmeister. Nach ihrem Amtsantritt im Januar 1986 |
| 3 | | empfing der CDU-Politiker sie nur zwei mal zu einem Meinungsaustausch. Anfang |
| 4 | | September sah man sich ein drittes Mal - Rommel erteilte ihr eine Abmahnung. Darüber |
| 5 | | hinaus drohte er ihr weitere Schritte »mit dem Ziel der Kündigung« an, falls sie auch |
| 6 | | fürderhin in der Öffentlichkeit gegen Gemeinderat und Verwaltungsspitze polemisiere. |
2 | 7 | | Schon vorher hatte Rommel ihr verboten, Erklärungen in den Medien abzugeben: |
| 8 | | Es sei nicht Aufgabe einer »Bediensteten der Stadtverwaltung«, in der Öffentlichkeit an |
| 9 | | Gemeinderatsmitgliedern, Bürgermeistern und am Oberbürgermeister in »Sachfragen« |
| 10 | | Kritik zu üben. |
3 | 11 | | Die 35jährige Politologin war nicht gerade zimperlich mit Rommel umgegangen. |
| 12 | | Mehrfach hatte sie ihn öffentlich kritisiert und ihm vorgeworfen, er habe die »Zeichen |
| 13 | | der Zeit« in der Frauenpolitik nicht erkannt. |
4 | 14 | | Tatsächlich hat die Frauenbeauftragte gegenüber der städtischen Bürokratie von |
| 15 | | Anfang an schlechte Karten gehabt. Rommel hatte sie tief in der Rathaushierarchie (als |
| 16 | | Verwaltungsangestellte beim Hauptamt) angesiedelt, so tief wie keine andere der zwölf |
| 17 | | kommunalen Frauenbeauftragten in Baden-Württemberg. Gabriele Steckmeister trat die |
| 18 | | Flucht in die Öffentlichkeit an. |
5 | 19 | | In Stuttgart verweist die CDU gern auf besonders niedrige Zahlen von |
| 20 | | Abtreibungen und bringt sie in Zusammenhang mit einer sehr restriktiven |
| 21 | | Beratungspraxis. Gabriele Steckmeister hält dagegen: Frauen in Not werden in andere |
| 22 | | Bundesländer abgedrängt. In diesem Zusammenhang startete sie eine Fragebogenaktion |
| 23 | | unter Stuttgarter Ärzten, um Aufschlüsse über deren Beratungspraxis zu erhalten. Prompt |
| 24 | | bekam sie einen Verweis von Rommel, weil sie die Aktion nicht mit den vorgesetzten |
| 25 | | Dienststellen abgesprochen hatte. |
6 | 26 | | Dann wollte Frau Steckmeister eine Fragebogenaktion über sexuelle Belästigung |
| 27 | | am Arbeitsplatz in der Stadtverwaltung durchführen, doch die sagte nein. Sie solle nur |
| 28 | | Einzelfällen nachgehen. Schließ1ich durfte sie eine von ihr veranlaßte Analyse über »Die |
| 29 | | Situation ausländischer Frauen und Mädchen in Stuttgart« nicht veröffentlichen, weil |
| 30 | | sich die Stadtverwaltung nicht mit den darin enthaltenen Angriffen auf Landes- und |
| 31 | | Bundespolitik identifizieren wollte. |
7 | 32 | | Als Rommel sich schließ1ich über sie lustig machte, schlug Gabriele Steckmeister |
| 33 | | zurück. Zu ihrem Tätigkeitsbericht vor dem Stuttgarter Gemeinderat fiel ihm nur ein, ihr |
| 34 | | zur neuen Frisur zu gratulieren. Die Idee eines Förderpreises für frauenfreundliche |
| 35 | | Politik in Betrieben und im öffentlichen Dienst, der »Lila Fleck«, amüsierte Rommel nur. |
| 36 | | SchlieJ31ich dokumentierte er seinen Sinn für Humor mit einem Gedicht im städtischen |
| 37 | | Amtsblatt unter dem Titel »Entmännlichung der Literatur. Auszug aus dem Schulbuch |
| 38 | | 2000 für 4. Grundschulklassen«: |
| 39 | | Der Gänserich / die Gans verschlang |
| 40 | | schnatternd einen Frosch / eine Fröschin |
| 41 | | während der Bauer / die Bäuerin dabei saß |
| 42 | | und sich auf den Gänserich- / Gansbraten |
| 43 | | freute, den er / sie zu verzehren gedachte...« |
| 44 | | Da braucht sich Rommel über herbe Kritik nicht zu wundern. Seine »bekannten Witze« |
| 45 | | über Frauen und Frauenpolitik nützten ihr wenig, meinte Frau Steckmeister, sie würde |
| 46 | | sich wünschen, »daß er wenigstens einmal kompetent Stellung nimmt«. |