1 | 1 | | »Mit der Weisheit der Männer und der Güte der Frauen«, meinte Konrad |
| 2 | | Adenauer einst listig, »werden wir die nächste Wahl gewinnen.« Lange, sehr lange, hat |
| 3 | | der alte Mann recht behalten. Ob die Männer so weise waren, bleibe einmal dahingestellt. |
| 4 | | Jedenfalls wurde ihr Anspruch auf die Macht nicht angezweifelt - die Frauen waren so |
| 5 | | gütig. Aber das sieht heute anders aus. |
2 | 6 | | Die Parteien jeglicher Couleur stehen unter Druck, viel mehr Frauen in Amt und |
| 7 | | Würden zu wählen. Ihre Kompetenz wird nun auch daran gemessen, wie sie mit Frauen |
| 8 | | umspringen. Die Politik mit ihren patriarchalisch verkrusteten Machtstrukturen kann |
| 9 | | sich gegen den gesellschaftlichen Wandel nicht länger abschotten. |
3 | 10 | | Nie zuvor waren so viele Frauen so gut ausgebildet wie heute. Nie zuvor war ihre |
| 11 | | Chance so groû, sich einen Lebensentwurf nach eigenen Bedürfnissen zu schneidern, |
| 12 | | nicht nach vorgegebenen Rollen. Kein Wunder, daû eine emanzipatorisch-aufmüpfige |
| 13 | | Stimmung herrscht und sie verärgert sind über die lächerlich geringe politische |
| 14 | | Repräsentanz. Hinzu kommt, wie eine Sinus-Studie belegt, daû gerade junge Frauen |
| 15 | | jenes kritische Wählerpotential bilden, das besonders offen für die »neuen« Themen ist Umwelt, |
| 16 | | Frieden, soziale Umwälzungen. |
4 | 17 | | Um die Frauen müssen die Konservativen buhlen, wollen sie die Macht behalten, |
| 18 | | und die Sozialdemokraten, wollen sie die Macht zurückgewinnen. In der Politik zählen |
| 19 | | Fakten, nicht Herzenswünsche, und die Fakten sind der SPD wie der CDU von ihren |
| 20 | | Meinungsforschern und Wahlanalytikern geliefert worden. Allensbach bescheinigt den |
| 21 | | Christdemokraten: Bei den Frauen bis 35 rutscht die Union unter die 30-Prozent-Marke ; |
| 22 | | Infratest fand heraus : Zwei Drittel der SPD-Anhänger wollen Parität auf allen |
| 23 | | Kandidatenpl ätzen; 54 Prozent der Befragten wünschen »eine stärkere Repräsentanz |
| 24 | | von Frauen in den Parlamenten«, trauen allerdings nur den Grünen zu, daû sie dies auch |
| 25 | | schaffen. |
5 | 26 | | Das soll sich nun ändern. Landauf, landab wird symbolisch gehandelt, wird |
| 27 | | Aufbruchsstimmung beschworen. Die Union veranstaltet einen Frauenparteitag und holt |
| 28 | | die zweite Frau ins Kabinett. Die SPD ringt sich zu einem Sonderparteirat und zu |
| 29 | | reumütigen Sprüchen, Appellen und Zielvorgaben durch: Ein Viertel der |
| 30 | | aussichtsreichen Listenplätze soli fortan den Genossinnen eingeräumt werden. Gerhard |
| 31 | | Schröder kämpft mit drei Frauen im Schattenkabinett um den Sieg in Niedersachsen, in |
| 32 | | Bayern bewirbt sich Anke Martiny um den Landesvorsitz. |
6 | 33 | | Reicht das, um den alltäglichen Sexismus aufzubrechen, die Diskriminierung |
| 34 | | aufgrund des Geschlechts? Oder müssen, um den Frauen auf die Sprünge zu helfen, |
| 35 | | sogar Quoten verordnet werden? 1edes vierte Mandat bei den Sozialdemokraten müûte |
| 36 | | dann an eine Frau gehen ; dies entspräche dem weiblichen Mitgliederanteil. |
7 | 37 | | Es ist paradox: Da soli ein Frauenreservat eingerichtet werden, damit letztlich das |
| 38 | | Geschlecht keine Rolle mehr spiele. Im Dreisprung über Alibifrau und Quotenfrau zur |
| 39 | | Gleichberechtigung? In der CDU und FDP spielt diese Diskussion kaum eine Rolle . Bei |
| 40 | | den Grünen war die Parität Existenzbegründung, Programm und schmerzliche Praxis |
| 41 | | von Beginn an - ein Teil ihrer Legitimation. |
8 | 42 | | Für eine Quotierung spricht: Frauen haben, gemessen an ihrem gewachsenen |
| 43 | | Anteil an der Mitgliederzahl, weniger Mandate als 1953. Es rührt sich also nichts, sagen |
| 44 | | sie, wir brauchen einen garantierten Mandatsanteil, um handeind beweisen zu können: |
| 45 | | Wir sind genauso gut - und dies unabhängig vom Wohlwollen der Männer. |
9 | 46 | | Doch es knirscht in dieser Argumentation. Nicht, weil Quoten undemokratisch |
| 47 | | wären. Auch nicht, weil zu befürchten stünde, qualifizierte Männer blieben gleich |
| 48 | | reihenweise auf der Strecke und dem Volke vorenthalten - zur Zeit ist es ja eher |
| 49 | | umgekehrt. Nein, gegen Quoten spricht die schlichte Erfahrung: Was man sich nicht |
| 50 | | selber erkämpft, geht schnell wieder verloren. Nicht Quoten werden das Patriarchat |
| 51 | | erzittern lassen, sondern Frauen, die ihre Bravheit und Parteidisziplin aufgeben, die frech |
| 52 | | und konfliktfreudig, ja unberechenbar bis hin zu sogenanntem parteischädigendem |
| 53 | | Verhalten - Diskriminierung öffentlich anprangern. |
10 | 54 | | Und wäre nicht das Münchner Beispiel wirksamer als Quoten? Dort haben die |
| 55 | | Wähler dafür gesorgt, daû der Stadtrat zu 35 Prozent aus Frauen besteht. Das Wahlrecht |
| 56 | | ermöglicht ihnen, die männliche Parteiräson zu korrigieren: Sie dürfen Frauen - meist |
| 57 | | auf schlechte Listenplätze gesetzt - nach vorne »h äufeln«. Eine Korrektur |
| 58 | | desWahlverfahrens könnte den Kampf der Geschlechter um die Macht auch anderswo |
| 59 | | entspannen. |
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