Es ist wieder die Zeit für Video- und Computer- | | gemeinsam lachen. Durch das Bildschirmspiel aber |
spiele gekommen. Da Eltern an den weihnacht- | | wird die ohnehin zerstückelte Erfahrungswelt der |
lichen Gabentisch denken, [id:21380] der drei größten | | Kleinfamilie oft genug endgültig atomisiert. Hinzu |
Spielzeughersteller der Welt: Nintendo, Sega und | | kommt [id:21386] in der Familie: Väter schenken |
Sony. Zu dritt planen die japanischen Multi- | | ihren Söhnen technisch hochgerüstete Spiele; |
mediariesen, unter deutschen Weihnachtsbäumen | | Mütter und Töchter bilden nur ein Fünftel der |
Ware im hundertfachen Millionenwert abzuladen. | | Techno-Spielfans. Wer meint, Autodidakt zu sein |
Kein anderes Spielgerät ist bei den Deutschen | | und es dem Kind bald vormachen zu können, stößt |
beliebter, kein wertvolleres Geschenk kommt | | schnell an Grenzen: Computerspiele [id:21387]. Zu |
vielen Eltern heute in den Sinn. [id:21381] haben die | | ihrer Bewältigung braucht der Spieler Zeit und |
letzten deutschen Spielzeughersteller. Sie müßten | | Geduld in einem ungewöhnlichen Ausmaß. |
ihre Produktion nach China auslagern, oder sie | | Es geht eben nicht nur um eine neue Spielmode, |
hinken technologisch hinterher. Immer mehr | | vergleichbar mit der Begeisterung für Barbie- |
Kindergeschenke, die wie die „Ritterburg“ oder das | | puppen, sondern um eine Kulturrevolution. |
„Mensch, ärgere dich nicht“ an ureigene deutsche | | Beim Bildschirmspiel ist die Technik der wichtig- |
Traditionen anknüpfen, werden heute durch die | | ste Partner, der Mensch fällt als solcher aus. |
Globalisierung vom Gabentisch verdrängt. Liebe- | | [id:21388], Reiz aller Spiele von „Mensch, ärgere dich |
voll geben wir unsere Kinder einer gar nicht wahr- | | nicht“ bis zum Fußball, ist am Bildschirm ja |
genommenen [id:21382] preis: Denn Globalisierung | | unnötig. Hier zählen Schnelligkeit, Fertigkeit und |
bedeutet auf dem Weihnachtstisch oft nichts | | Konzentration. Die Phantasie des Kindes wird auf |
anderes als Japanisierung. | | die engen Bahnen des in der virtuellen Welt |
Unsere beliebtesten Video- und Computerspiele, | | technisch Möglichen gelenkt. |
von den Bildschirmabenteuern des italienischen | | Dabei bleibt natürlich das Spielen die beste Art |
Klempners Mario bis zu den Prügeldramen der | | zu lernen. An [id:21389] mangelt es im kindlichen |
VirtuaFighters, sind die Erzeugnisse einer authen- | | Cyberspace nicht. Vermutlich können unsere |
tischen japanischen Bilderkultur. Ihre Wurzeln | | Kinder eines Tages besser zwischen Virtualität und |
reichen bis zum japanischen Holzschnitt des 18. | | Wirklichkeit unterscheiden. Vielleicht lernen sie am |
Jahrhunderts und der noch älteren Kalligraphie- | | Joystick der Videokonsolen sogar intuitiv, wie sich |
kunst. Seither war Japan das Land der Bilder- | | Bildschirmvorgänge steuern lassen - so wie früher |
sprache. Heute werden in Japan jährlich 2,3 | | der Architekt schon beim Malen als Kind den |
Milliarden Comicbände verkauft, mehr als in jedem | | Umgang mit Bleistift und Lineal lernte. Aber noch |
anderen Land. Unsere Videospielhelden sind die | | gibt es viel zu wenig Spiele, welche die Phantasie |
technologisch hochgerüsteten [id:21383] dieser eben- | | anregen, bei denen es auf Gemeinsamkeit an- |
so lebendigen wie kommerzialisierten Bilderkultur. | | kommt. Und diese kommen aus Amerika, nicht aus |
Viele Eltern begegnen dem modernen Kinder- | | Japan. Computerspielen fehlt nur allzu oft ein |
vergnügen mit [id:21384]. Wenn Kinder zu Hause | | [id:21390] Kontext, wie ihn jedes gute Kinderbuch |
dann den Aufstand proben, weil ihnen die neueste | | vermittelt. So ahnen wir Herkunft und Charakter- |
Technologie im Spielzimmer fehlt, lassen sich | | züge der deutschen Märchenfiguren in den Werken |
Mutter und Vater oft einschüchtern. Ihnen fehlt das | | Hauffs oder der Brüder Grimm schon nach kurzer |
erzieherische Selbstbewußtsein. Schließlich ist die | | Lektüre. Bei Disney spielt die Herkunft der |
heutige Elterngeneration noch nicht mit dem | | Helden schon keine Rolle mehr. Mickey-Mouse |
Computer groß geworden. Gerade deshalb achtet | | erscheint aber noch als Persönlichkeit. Erst |
sie darauf, daß ihre Kinder den Anschluß an die | | Nintendo treibt die gesellschaftliche Entwurzelung |
neue Zeit nicht verlieren. | | des Spiels auf die Spitze: Kinder wissen nicht, wer |
Was also liegt näher, als einen Gameboy zu | | Mario ist, wo er herkommt und wie er denkt. Eine |
schenken, auch wenn man nichts davon versteht? | | Identifizierung mit dem Spielhelden ist nur über |
Die Konsequenzen für die Eltern-Kind-Beziehung | | die Kunstwelt des Computers möglich. Die aber ist |
können [id:21385] sein. Wer nicht mehr weiß, was das | | [id:21391] geordnet: In den Spielen überlebt nur der |
eigene Kind spielt, verliert den Kontakt. Über den | | Stärkere. Es gilt die Schaltlogik des Computers: ein |
Fernsehfilm konnten Eltern und Kinder noch | | oder aus, 0 oder 1, also tot oder lebendig. |