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Alle menschen sind gleich

ALLE MENSCHEN SIND GLEICH

Über neue Erkenntnisse der Genforschung

 Alle Menschen sind gleich? Dumme und    Von Nachteil war das offenbar nicht: Der Zeit-
 schlaue, dicke und dünne, schwarze und punkt gilt vielen Genforschern als die Geburts-
 weiße? Nun ja, ganz gleich natürlich nicht. Aber30 stunde des modernen Menschen.
 hinter der bunten Fassade der Milliarden Was sagen uns diese Erkenntnisse? Sicher
5 Menschen verbirgt sich - zumindest genetisch - nicht, dass wir unsere komplette Verwandtschaft
 ein überraschend einheitliches, ja geradezu sympathisch finden sollten - dafür gibt es zu viele
 familiäres Bild. Verglichen etwa mit ihren Grausamkeiten. Wohl aber, dass die so oft ge-
 nächsten Verwandten, den Schimpansen, sind die35 scholtene Genforschung nicht, wie von Kritikern
 Menschen untereinander Brüder und Schwestern. gern unterstellt, per se dazu missbraucht werden
10 Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für kann, Unterschiede zwischen Menschen aufzu-
 Evolutionäre Anthropologie decken, um dann einige Be-
 entdeckten jüngst, dass das völkerungsgruppen als ge-
 Erbgut von Schimpansen eine40 netisch minderwertig zu
 viermal so hohe Vielfalt diffamieren. Vor allem lehrt
15 aufweist wie das des Homo die Genetik, dass wir uns
 sapiens. Anders gesagt: Ein nicht von Äußerlichkeiten
 hoch gewachsener, hell- ablenken lassen sollten.
 häutiger Däne ist mit einem45 Körpergröße, Hautfarbe
 kleinen, bronzefarbenen Indio oder Haarwuchs sind
20 näher verwandt als zwei ähnlich aussehende lediglich Anpassungen an
 Schimpansen, die in benachbarten Horden leben. klimatische Bedingungen, die allenfalls durch
 Die überraschend große Gleichartigkeit der einige Dutzend der mehr als 100 000 menschli-
 Menschen lässt darauf schließen, dass es vor eini-50 chen Gene geregelt werden. Die Vielfalt im Erbgut
 gen Hunderttausend Jahren einen fast vollständi- einer Bevölkerungsgruppe, so der italienische
25 gen Zusammenbruch der Gattung Mensch gege- Humangenetiker Luca Cavalli-Sforza, ist größer
 ben hat - sie musste durch ein genetisches Nadel- als die Vielfalt zwischen ganzen Völkern unter-
 öhr hindurch und hat dabei an Vielfalt eingebüßt. einander. (…)

Claus Peter Simon, in: Die Woche, 14.11.1999