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Raus aus den Betten!

Medizin und Wahnsinn, Folge 160

Raus aus den Betten!



1    Es ist nicht lange her, da war das    häusliche Pflege oder die Weiter-
 Krankenhaus noch eine Oase der betreuung durch den Hausarzt
 Ruhe und des Müßiggangs. Erschöpf- immerhin den Vorteil, dass der
 te Selbständige erholten sich und ihr Patient dabei noch einen Arzt oder
5 Portemonnaie mit Hilfe einer üppi-55 eine Pflegekraft zu Gesicht bekommt.
 gen Krankenhaustagegeldversiche-4    Eine aktuelle Umfrage zeigt
 rung. Die Ärzte waren ebenfalls jedoch, dass nicht die Kliniken schuld
 zufrieden, wenn die Patienten sind, wenn Patienten immer schnel-
 möglichst lange blieben, denn jeder ler das Weite suchen. Die Kranken
10 Tag, den ein Bett länger belegt war,60 wollen so schnell es geht wieder nach
 brachte zusätzliches Geld. Besonders Hause – wenn auch aus unterschied-
 vor dem Wochenende mussten lichen Motiven. Frauen sorgen sich
 Patienten gehalten werden, und eine um ihre Familie, während sie im
 entscheidende Bewährungsprobe für Krankenhaus sind. Sind die Lieben
15 junge Assistenzärzte bestand darin,65 auch gut versorgt? Isst er vernünftig?
 den Kranken, die längst nicht mehr Männer sorgen sich hingegen weni-
 krank waren, eine Begründung für ger um Weib und Kind, sondern um
 den medizinisch nicht mehr nötigen ihre Arbeit. Sind sie zu lange weg, ist
 Aufenthalt zu präsentieren. vielleicht auch bald ihr Job weg. Also
220    Der Verlauf der Laborwerte muss70 nichts wie raus aus der Klinik, die
 noch ein paar Tage beobachtet frische Naht wird schon halten, und
 werden, lautete einer der Klassiker das bisschen Fieber verschwindet von
 für die Wochenend-Präsenz. Manche alleine.
 Doctores gaben gar vor, am Wochen-5    Wie unpassend daher der Vor-
25 ende endlich in Ruhe mit dem75 schlag von Jens Spahn, dem zwei-
 Patienten die Befunde diskutieren zu tagebärtigen Lila-Laune-Bär von der
 können. Psychologisch gewiefte Ärzte CDU. Mit seinem dunklen Bartschat-
 brachten das nicht ganz abwegige ten und der dickrandigen Kreativen-
 Argument vor, der Patient könne Brille sieht die Nachwuchskraft von
30 seiner Familie noch nicht rund um80 der Union ein bisschen aus wie Walt
 die Uhr ausgesetzt werden. Die Klinik Disneys Panzerknacker. Spahn ist
 mit ihren eingeschränkten Besuchs- allerdings nicht Panzerknacker, son-
 zeiten helfe, die Belastung durch die dern Gesundheitsexperte. Er schlägt
 Familie richtig zu dosieren. Leben vor, zukünftig nur noch Zweibett-
35 und leben lassen, verdienen und ver-85 zimmer in der Klinik anzubieten.
 dienen lassen, lautete die großzügige Genügend Räume seien vorhanden,
 Devise. die Krankenhäuser müssten nur end-
3    Und heute? Im Krankenhaus lich dazu angehalten werden, sie für
 herrscht [id:95414] . Gelegentlich werden Patienten zu nutzen.
40 Patienten frisch vom OP-Tisch690    Was für eine Verkennung der
 entlassen. Die Kliniken bekommen Realität. Kranke sollen sich in der
 ihr Geld seit ein paar Jahren schließ- Klinik doch nicht wohl fühlen. Ärzte
 lich pro Patient, und je schneller sie wie Patienten haben nur ein
 die Kranken loswerden, desto lukra- Interesse: möglichst schnell raus aus
45 tiver ist das für das Hospital. Kompli-95 den Betten. Schlafsäle mit acht oder
 kationen? Ein bisschen Schwund ist zwölf Betten nach englischem Vorbild
 immer. In manchen Kliniken wurde wären ein viel besserer Weg, um die
 bereits so viel Personal eingespart, Liegedauer weiter zu verkürzen.
 dass mehr Kaufleute als Mediziner 
50 dort anzutreffen sind. Daher hat die naar: Süddeutsche Zeitung