1 | | | Dass die Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen ein ziemliches Desaster war, |
| | | ist keine Frage. Die überfüllte Megaveranstaltung, bei der Beobachter aus- und |
| | | Protestierer weggesperrt wurden, brachte in ihren kaum mehr durchschaubaren |
| | | Strukturen keine Fortschritte. In den miserabel moderierten Plenarsitzungen |
| 5 | | ging es mehr um Verfahrensfragen als um Inhalte. Und die politische Erklärung, |
| | | auf die sich ein kleiner Teil der Staats- und Regierungschefs in zwei Nachtsitzungen |
| | | einigte, enthält allgemeine Absichtserklärungen, aber wenig Substanz. |
| | | Die Klimakonferenz nimmt ein Papier zur Kenntnis, in dem einige Staaten das 2- |
| | | Grad-Ziel zur Kenntnis nehmen, ohne konkrete Maßnahmen dafür zu formulie10 |
| 10 | | ren: Das ist das traurige Ergebnis von zwei Jahren Vorbereitung und zwei |
| | | Wochen Dauerverhandlung. |
2 | | | Viel schwieriger als diese Analyse ist die Frage, welche Konsequenzen das |
| | | Desaster von Kopenhagen haben muss. Denn selbst wenn die äußeren organisa- |
| | | torischen Mängel beseitigt würden, bliebe es dabei, dass den internationalen |
| 15 | | Klimaverhandlungen fast all jene Strukturen fehlen, die sich auf nationaler |
| | | Ebene mehr oder weniger bewährt haben: Es gibt keine Gewaltenteilung, keine |
| | | Repräsentanz, keine Mehrheitsentscheidungen. Alle Entscheidungen fallen im |
| | | Plenum. Und als ob ein solcher Prozess mit 193 beteiligten Staaten nicht |
| | | ohnehin schon kompliziert genug wäre, kann eine einzige Gegenstimme jeden |
| 20 | | Beschluss verhindern. Auch dass die Verhandlungen überhaupt nur in wenigen |
| | | Wochen auf großen Konferenzen laufen und dazwischen komplett ruhen, ist |
| | | angesichts der Dringlichkeit des Problems der globalen Erwärmung nur schwer |
| | | zu begreifen. |
3 | | | Gebraucht würde eine UN-Klimabehörde mit ständigen Vertretern und der |
| 25 | | Kompetenz, Entscheidungen zwischen den Konferenzen vorzubereiten oder |
| | | weiterzuentwickeln und einmal Beschlossenes dann auch umzusetzen. Ebenso |
| | | gehören detaillierte Streitfragen nicht in ein Plenum, sondern in Expertengruppen |
| | | und im Zweifel vor eine Art internationales Klimagericht. |
4 | | | Doch jeder Vorstoß, der auf effektivere Strukturen zielt, stößt auf erbitterten |
| 30 | | Widerstand. Schon die Initiative, die Debatte in Kopenhagen zu erleichtern, |
| | | indem man sie auf eine kleine Gruppe von 30 Ländern begrenzt, führte zu |
| | | großer Empörung bei jenen, die nicht dabei waren. Und das, obwohl diese |
| | | Gruppe ziemlich repräsentativ besetzt war und auch Entwicklungsländer sowie |
| | | die vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaaten vertreten waren. |
5 | 35 | | Auch alle Versuche, bei den Klimakonferenzen vom Einstimmigkeitsprinzip |
| | | zu einem Mehrheitsquorum zu kommen, scheitern regelmäßig - eben weil es an |
| | | der Einstimmigkeit fehlt, die für eine solche Entscheidung notwendig wäre, bei |
| | | der souveräne Staaten einen Teil ihrer Rechte aufgeben. |
6 | | | Kopenhagen muss Anlass sein, über eine Veränderung der Strukturen |
| 40 | | nachzudenken, nach denen globale Entscheidungen gefällt werden. Nie lag die |
| | | Lösung für ein globales Problem so klar auf dem Tisch, nie kamen so viele |
| | | Staatschefs zusammen, nie waren öffentliche Aufmerksamkeit und Erwartungen |
| | | so groß wie hier. Wenn es selbst unter diesen Voraussetzungen nicht gelingt, im |
| | | Konsens das Nötige zu beschließen, dann ist das Konsensprinzip gescheitert. |
7 | 45 | | Vor allem [id:68436] stehen einer Einigung im Weg. Solange sich ein Land einen |
| | | kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil davon erhoffen kann, dass es sich Maßnahmen |
| | | widersetzt, die eine Mehrheit für richtig hält, werden nie alle freiwillig |
| | | mitmachen. |
8 | | | Ändern lässt sich das nur, wenn eine solche Verweigerung künftig Folgen |
| 50 | | hat. Solche Sanktionsmittel gibt es schon heute gegenüber vielen Schwellenländern, |
| | | denen finanzielle Hilfe nur gegen die Zusage eines langsameren CO2- |
| | | Anstiegs gewährt wird. Bei großen Schwellenländern wie China oder unwilligen |
| | | Industrienationen wie den USA hilft so etwas natürlich nicht. Hier wirken nur |
| | | Drohungen etwa mit einem Klimazoll, den Staaten mit einem echten Klimaziel |
| 55 | | auf Importe aus Staaten ohne klares Klimaziel erheben. |
9 | | | Wirtschaftliche Sanktionen bringen in einer global vernetzten Welt viele |
| | | Probleme mit sich, leicht umzusetzen wären sie nicht. Doch einfach abwarten, |
| | | dass die Blockade bei den nächsten Konferenzen weitergeht, ist auch keine |
| | | Alternative. |
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