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Die Grenzen der Weltdemokratie

Die Grenzen der Weltdemokratie

KOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT

1    Dass die Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen ein ziemliches Desaster war,
 ist keine Frage. Die überfüllte Megaveranstaltung, bei der Beobachter aus- und
 Protestierer weggesperrt wurden, brachte in ihren kaum mehr durchschaubaren
 Strukturen keine Fortschritte. In den miserabel moderierten Plenarsitzungen
5 ging es mehr um Verfahrensfragen als um Inhalte. Und die politische Erklärung,
 auf die sich ein kleiner Teil der Staats- und Regierungschefs in zwei Nachtsitzungen
 einigte, enthält allgemeine Absichtserklärungen, aber wenig Substanz.
 Die Klimakonferenz nimmt ein Papier zur Kenntnis, in dem einige Staaten das 2-
 Grad-Ziel zur Kenntnis nehmen, ohne konkrete Maßnahmen dafür zu formulie10
10 ren: Das ist das traurige Ergebnis von zwei Jahren Vorbereitung und zwei
 Wochen Dauerverhandlung.
2    Viel schwieriger als diese Analyse ist die Frage, welche Konsequenzen das
 Desaster von Kopenhagen haben muss. Denn selbst wenn die äußeren organisa-
 torischen Mängel beseitigt würden, bliebe es dabei, dass den internationalen
15 Klimaverhandlungen fast all jene Strukturen fehlen, die sich auf nationaler
 Ebene mehr oder weniger bewährt haben: Es gibt keine Gewaltenteilung, keine
 Repräsentanz, keine Mehrheitsentscheidungen. Alle Entscheidungen fallen im
 Plenum. Und als ob ein solcher Prozess mit 193 beteiligten Staaten nicht
 ohnehin schon kompliziert genug wäre, kann eine einzige Gegenstimme jeden
20 Beschluss verhindern. Auch dass die Verhandlungen überhaupt nur in wenigen
 Wochen auf großen Konferenzen laufen und dazwischen komplett ruhen, ist
 angesichts der Dringlichkeit des Problems der globalen Erwärmung nur schwer
 zu begreifen.
3    Gebraucht würde eine UN-Klimabehörde mit ständigen Vertretern und der
25 Kompetenz, Entscheidungen zwischen den Konferenzen vorzubereiten oder
 weiterzuentwickeln und einmal Beschlossenes dann auch umzusetzen. Ebenso
 gehören detaillierte Streitfragen nicht in ein Plenum, sondern in Expertengruppen
 und im Zweifel vor eine Art internationales Klimagericht.
4    Doch jeder Vorstoß, der auf effektivere Strukturen zielt, stößt auf erbitterten
30 Widerstand. Schon die Initiative, die Debatte in Kopenhagen zu erleichtern,
 indem man sie auf eine kleine Gruppe von 30 Ländern begrenzt, führte zu
 großer Empörung bei jenen, die nicht dabei waren. Und das, obwohl diese
 Gruppe ziemlich repräsentativ besetzt war und auch Entwicklungsländer sowie
 die vom Klimawandel besonders bedrohten Inselstaaten vertreten waren.
535    Auch alle Versuche, bei den Klimakonferenzen vom Einstimmigkeitsprinzip
 zu einem Mehrheitsquorum zu kommen, scheitern regelmäßig - eben weil es an
 der Einstimmigkeit fehlt, die für eine solche Entscheidung notwendig wäre, bei
 der souveräne Staaten einen Teil ihrer Rechte aufgeben.
6    Kopenhagen muss Anlass sein, über eine Veränderung der Strukturen
40 nachzudenken, nach denen globale Entscheidungen gefällt werden. Nie lag die
 Lösung für ein globales Problem so klar auf dem Tisch, nie kamen so viele
 Staatschefs zusammen, nie waren öffentliche Aufmerksamkeit und Erwartungen
 so groß wie hier. Wenn es selbst unter diesen Voraussetzungen nicht gelingt, im
 Konsens das Nötige zu beschließen, dann ist das Konsensprinzip gescheitert.
745    Vor allem [id:68436] stehen einer Einigung im Weg. Solange sich ein Land einen
 kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil davon erhoffen kann, dass es sich Maßnahmen
 widersetzt, die eine Mehrheit für richtig hält, werden nie alle freiwillig
 mitmachen.
8    Ändern lässt sich das nur, wenn eine solche Verweigerung künftig Folgen
50 hat. Solche Sanktionsmittel gibt es schon heute gegenüber vielen Schwellenländern,
 denen finanzielle Hilfe nur gegen die Zusage eines langsameren CO2-
 Anstiegs gewährt wird. Bei großen Schwellenländern wie China oder unwilligen
 Industrienationen wie den USA hilft so etwas natürlich nicht. Hier wirken nur
 Drohungen etwa mit einem Klimazoll, den Staaten mit einem echten Klimaziel
55 auf Importe aus Staaten ohne klares Klimaziel erheben.
9    Wirtschaftliche Sanktionen bringen in einer global vernetzten Welt viele
 Probleme mit sich, leicht umzusetzen wären sie nicht. Doch einfach abwarten,
 dass die Blockade bei den nächsten Konferenzen weitergeht, ist auch keine
 Alternative.
 
60 TAZ