| | (1) Das Klimapaket der EU-Kommission war noch nicht ver- |
| | abschiedet, da lagen die ersten Reaktionen schon auf dem Tisch. |
| | Wie vorprogrammiert gehen Industrieverbänden und Unions- |
| | Parteien die Vorschläge zu weit, Umweltorganisationen und |
5 | | Grüne sagen, das reicht nicht. Und mittendrin versucht EU- |
| | Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso das Klimapaket – |
| | und damit sich und seine häufig kritisierte Brüsseler Kommis- |
| | sion – mit dem Prädikat „historisch“ zu schmücken. Dafür ist es |
| | sicher zu früh, denn wir stehen ja erst am Anfang eines sicherlich |
10 | | zähen politischen Prozesses im Ministerrat und im Parlament, in |
| | dem so manche Zahl noch um- und abgebogen werden dürfte. |
| | (2) Aber guten Gewissens kann man von einem „Meilenstein“ |
| | sprechen. Nach vielen hehren Appellen liegt nun ein konkretes |
| | Maßnahmen-Paket vor, mit dem sich die Mitgliedsstaaten und |
15 | | die Lobby auseinandersetzen müssen. Davon kommen sie nicht |
| | mehr runter. Und wenn Bundesumweltminister Sigmar Gabriel |
| | sofort das Stichwort „Tempolimit“ wieder in die Diskussion |
| | bringt, ist das ein Zeichen dafür, dass drastisches Vorgehen |
| | angesagt ist, dass es ernst wird. |
20 | | (3) Die Ziele sind ehrgeizig, die Zeiträume sind knapp. Brüssel |
| | setzt die EU-Staaten mit den Vorschlägen unter gewaltigen |
| | Handlungsdruck. Und das ist richtig. Insofern hat die oft |
| | gescholtene Kommission den ersten Teil der Aufgabe erfüllt. |
| | Kein aufgeführtes Ziel ist utopisch, aber im Schongang lassen |
25 | | sich die Vorgaben auch nicht erreichen. Jetzt darf man gespannt |
| | sein, ob Brüssel die so gern in Anspruch genommene |
| | „Leadership“ auch weiterhin ausfüllt. Barroso ist bisher nicht als |
| | wirklich starker „Leader“ aufgefallen. |
| | (4) Barroso und damit Europa stehen vor folgender Alternative: |
30 | | Die Debatte über das Klimapaket könnte so zerfasern, das |
| | Maßnahmen-Bündel so ausgefranst werden, dass es am Ende |
| | keinem mehr weh tut. Das wäre nicht nur ein Desaster für das |
| | Klima und eine Bankrott-Erklärung europäischer Politik. Der |
| | Rest der Welt würde sich wohl totlachen angesichts dieses |
35 | | Versagens. Europa will sich aber eigentlich als globales Vorbild |
| | profilieren, manche außerhalb der EU-Grenzen hoffen auch |
| | darauf, um China oder die USA in Zugzwang zu bringen. |
| | (5) Dass demnächst heftig diskutiert und gestritten werden wird, |
| | spricht nicht dagegen. Die EU kann sich bei diesem zentralen |
40 | | Thema auch als lebendiger politischer Körper beweisen. Aber |
| | niemand darf das Ziel aus den Augen verlieren oder ganz eigenen |
| | Sonderinteressen unterordnen. Die Sarkozys oder auch Merkels |
| | werden von sich hören lassen, auch als Sprachrohr von Interes- |
| | sen. Aber am Ende gilt: Sie haben die Klimaziele beschlossen – |
45 | | und sich dafür feiern lassen. Vor einem Jahr, als es noch unver- |
| | bindlich war. Schmerzhaft wird manches werden, ein „weiter so“ |
| | gibt es nicht. Die alarmierte Industrie mag aber mittelfristig |
| | daraus sogar Vorteile ziehen. |
| | (6) Sicher: Wir hätten Klimaschutz auch billiger haben können. |
50 | | Seit Jahrzehnten ist die drohende Katastrophe bekannt. Doch die |
| | Industrie versagte bei der Selbstverpflichtung für saubere Autos. |
| | Und uns ist es doch immer noch ziemlich egal, was durch |
| | unseren Schornstein geht und woher der Strom kommt. Haupt- |
| | sache aus der Steckdose. |