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Draußen bleiben?

 Draußen bleiben?
 Für Stadionverbote genügt der
 Verdacht
 
1    Das ist keine Überraschung: Der
 Bundesgerichtshof hat den deutschen
 Fußballvereinen die Kontrolle über die
 Stadionverbote nicht genommen.
 Ungebetene Besucher, gegen die in
5 der Vergangenheit wegen gewalttäti-
 gen Verhaltens staatsanwaltschaftlich
 ermittelt wurde, können auch künftig
 jahrelang bundesweit aus den Stadien
 der Profiklubs ausgeschlossen werden. Schläger und Randalierer sind dort, anders als
10 in den unteren Ligen, selten ein Problem - das war vor zwanzig Jahren anders, daran
 haben nicht zuletzt auch die Verbote ihren Anteil.
2    Die Karlsruher Richter stützen ihr Urteil auf das Hausrecht der Vereine.
 Rechtskräftig verurteilt muss der Zuschauer für ein Verbot nicht sein, vielmehr genügt
 der Verdacht, er könnte künftig für gewalttätigen Ärger sorgen - und dieser wird mit den
15 vergangenen Ermittlungen belegt. Juristisch ist gegen dieses Urteil kaum etwas
 einzuwenden, Juristen und Vereine sollten beim Umgang mit den Verboten dennoch
 genau hinsehen.
3    Denn obwohl Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs nach Bundesligaspieltagen
 zum Alltag gehören, gibt es Bundesligavereine, deren Fanprojektleiter in den Jahren
20 ihrer Tätigkeit noch keine rechtskräftige Verurteilung auf Grundlage des Paragraphen
 125 des Strafgesetzbuches erlebt haben. In aller Regel stellen die Staatsanwaltschaften
 die Verfahren ein - entweder, weil der Tatverdacht nicht erwiesen ist oder weil die
 Schuld als geringfügig eingeschätzt wird.
4    Für den Betroffenen kann der Grund dieser Einstellung entscheidend sein: Ist er
25 tatsächlich unschuldig, wird das Stadionverbot aufgehoben. Hält der ermittelnde
 Staatsanwalt seine Schuld für geringfügig, hatten es sich Vereine zur Praxis gemacht,
 die Stadionverbote aufrechtzuerhalten. Im Alltag überlasteter Staatsanwälte aber ist
 manche Einstellungsentscheidung, die ohne Anhörung des Beschuldigten erfolgt, auch
 von dem Gedanken getragen, dass ein Stadionverbot im Gegensatz zu den
30 Konsequenzen des Strafgesetzbuches die persönlich weitaus relevantere Strafe ist.
 Wenn der Verein für den Fan alles ist, bleibt ihm nach dem Verbot nichts.
5    Mitarbeiter von Fan-Projekten und auch der DFB appellieren deshalb zu Recht an
 die Klubs, die Betroffenen anzuhören - die regelmäßig in einem Alter sind, in dem die
 Einstellung zum Staat, zu seinen Organen und zu Verboten noch gesucht wird. Wenn
35 aber die Entscheidung über die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens ohne
 Beteiligung des Jugendlichen erfolgt, ist ein Stadionverbot ohne Anhörung in vielen
 Fällen das falsche Signal. Stadionverbote sind notwendig - ihre gute Begründung erst
 recht.
 
  Frankfurter Allgemeine Zeitung