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Man(n) will nicht erwachsen werden

 

Man(n) will nicht erwachsen werden

 
Hohe Anforderungen schüren die Angst vor der Rolle des Familienvaters.
Ungebunden lebt es sich unbeschwerter
 
1    Hamburg – „Forever Young“: ge-    doppelt so hoch.
 fühltes Alter 35 und das dann 35 Jahre5    Zwei Bedingungen des „Erwachsen-
 lang. Man(n) möchte nicht alt werden werdens“ scheinen kaum noch zu
 und alt aussehen. Im Gegensatz zu vereinbaren: Dauerhafter Erfolg im Be-
5 vorherigen Generationen ziehen viele70 ruf und finanzielle Unabhängigkeit ei-
 von ihnen vor, „hip“, locker und ju- nerseits und Familie und Berechenbar-
 gendlich zu sein statt die Rolle des keit des Lebenslaufs andererseits. Wa-
 Patriarchen einzunehmen. Die jung rum „Erwachsenwerden“, wenn der
 gebliebenen Männer wollen alles mit- Preis dafür Unfreiheit, hohe Erwartun-
10 nehmen, was das Leben bietet. Stören75 gen, Erschöpfung, Verantwortung und
 da Kinder und Familie nur? Heute ha- Überforderung ist?
 ben wir nur noch halb so viele Kinder6    Warum sich stattdessen nicht nach
 wie vor 40 Jahren. Zwar legen die jun- des Tages Mühen von Mutti verwöhnen
 gen Leute immer mehr Wert auf Fami- lassen, als sich quengelnden Kindern
15 lie, meinen damit aber weniger die80 und einer fordernden Frau auszu-
 selbst gegründete, sondern die Her- setzen? Nesthocken ist inzwischen zum
 kunftsfamilie – „Modell Mama“. Trend geworden. Die Bundeszentrale
 Deutschland stirbt aus. Sind daran die für politische Bildung hat Themenblät-
 Männer schuld? ter herausgegeben unter dem Titel
220    Vor der nächsten Schuldzuweisung85 „Hotel Mama – die Kunst erwachsen
 lohnt ein Blick darauf, wie es um die zu werden“. Darin wird vermutet, dass
 deutschen Männer 30 Jahre nach es sich für Jugendliche nicht mehr
 Erfindung des „neuen Manns“ steht. lohnt, erwachsen zu werden: „Was
 Feministinnen haben lange nicht reizvoll ist am Erwachsenenleben, darf
25 beachtet, dass ihre Forderungen schon90 man bereits.“
 damals den Wünschen vieler Väter ent-7    Komplizierter werdende Beziehun-
 sprachen. Der Familienbericht der gen und kaum Vorbilder bei erlebten
 Bundesregierung zitiert die US-Sozio- Ehen veranlassen die jungen Men-
 login Kathleen Gerson, die bereits vor schen, feste emotionale Bindungen
30 mehr als zehn Jahren festgestellt hat,95 aufzuschieben. Heute wagen die Bun-
 gerade Frauen seien relativ [id:54681] desbürger so spät wie nie den Schritt
 beabsichtigten Veränderungsprozessen zum Traualtar: Frauen im Schnitt mit
 der Männer. „In der aktuellen Diskus- 30, Männer mit 33 Jahren. Viele junge
 sion über die Emanzipation der Frau Leute betrachten die Familiengrün-
35 und ihre Doppelbelastung kommt die100 dung als Wagnis – so wie früher „mit
 Rolle des Mannes viel zu kurz“, meint der Familie auswandern“ ein Lebens-
 Professor Horst W. Opaschowski, der risiko war, heißt es im jüngsten BAT-
 Leiter des Hamburger BAT-Freizeit- Bericht.
 Forschungsinstitutes. Vielen jungen8    Nicht zuletzt wird es in unsicheren
40 Männern fehle der Mut und sie fühlten105 Zeiten mit fehlenden Jobs und mit
 sich nicht bereit, familiäre Pflichten zu starken Forderungen nach beruflicher
 übernehmen. Je höher der Bildungs- Mobilität schwierig, der jungen
 grad ist, desto größer ist auch die Generation Mut zu machen, für ihre
 Scheu vor der Verantwortung. Zukunft langfristig zu planen. Dazu
345    „Ihre Rolle als Haupternährer ha-110 wäre die Aussicht auf ökonomischen
 ben die jungen Männer weitgehend Erfolg wichtig.
 verloren“, stellt Opaschowski fest. Im-9    Wie viel Konsumverzicht hat der
 mer mehr Frauen stehen erfolgreich Kinderwunsch [id:54686] zur Folge? „Zwei
 ihren „Mann“ – beruflich wie privat. So Kinder sollen heute schon ungefähr so
50 ziehen sich die jungen Männer in ihre115 teuer wie eine Eigentumswohnung
 eigene Interessenwelt zurück und ma- sein. Beide machen knapp ein Drittel
 chen von ihrem Zeugungsverweige- des Nettoeinkommens aus“, sagt
 rungsrecht Gebrauch. Einerseits be- Opaschowski.
 steht zwar die Sehnsucht nach Nest-10    In einer schnelllebigen Zeit müs-
55 wärme, andererseits sinkt der Kinder-120 sen die „neuen Väter“ und „neuen Müt-
 wunsch. ter“ wohl neu definiert werden. Die
4    Vier von zehn jungen Männern im große Herausforderung des „Erwach-
 Alter von 18 bis 39 Jahren vertreten senwerdens“ besteht darin, Verantwor-
 die Auffassung: „Meine persönlichen tung zu übernehmen und Reife zu er-
60 Freizeitinteressen sind mir wichtiger125 langen, ohne dabei den Spaß am Le-
 als eine Familie gründen.“ Der Anteil ben, die Neugier und Spontaneität der
 der männlichen Familiengründungs- Jugend zu verlieren. Auf dieses Poten-
 verweigerer hat in den letzten drei zial kann weder die Wirtschaft noch
 Jahren von 34 auf 43 Prozent deutlich unser soziales Umfeld verzichten.
65 zugenommen und ist mittlerweile