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Du bist, was du sagst

Du bist, was du sagst

      
An der Art, wie ein Mensch spricht, zeigen sich nicht nur Herkunft und
Bildungsgrad, sondern auch Lebenseinstellung und Persönlichkeit
      
1     „Achte auf deine Gedanken, denn    Begriffe wie „leidenschaftlich“, „Jung-
 sie werden Worte. Achte auf deine80 frau“ oder „Geliebte“. In den USA
 Worte, denn sie werden Taten.“ Sagt wurden sie als mächtig erlebt, mischten
 der Talmud. „Achte auf deine Worte“ - sich mit unguten Gefühlen, wurden mit
5 diese Mahnung erhält, im Lichte neuer Aggression und Gewalt assoziiert. In
 sprachpsychologischer Forschung Deutschland bewertete man Wörter mit
 betrachtet, besondere Brisanz: Jedes85 sexueller Bedeutung eher positiv,
 scheinbar neutrale Wort hat nämlich gleichzeitig waren sie emotional nicht
 neben seiner sachlichen Bedeutung so stark aufgeladen. Das lasse darauf
10 auch eine emotionale Aufladung, ver- schließen, so Schröder, dass in Amerika
 mittelt ein Gefühl, das unfreiwillig mit- sexuelle Themen stärker tabuisiert
 transportiert wird und Sprecher und90 seien. Deshalb produzierten sie mehr
 Zuhörer emotional beeinflusst. In einer Aufregung bei Zuhörern und
 umfangreichen Studie des Sozial- Sprechern. Alle diese Unterschiede
15 psychologen Tobias Schröder von der spiegeln verschiedene [id:61165] wider. Sie
 Humboldt Universität in Berlin wurde zeigen auch, wie sehr die Wahl der
 deutlich, dass Menschen ganz genau95 Wörter das Gesprächsklima in der
 angeben können, wie positiv oder nega- interkulturellen Kommunikation
 tiv ein Wort auf sie wirkt, wie mächtig beeinflussen kann.
20 oder schwach, wie passiv oder aktiv es4     In der Sprachpsychologie streitet
 ist. man sich bis heute, ob es nun die
2     Schröder ließ 2000 Versuchs-100 Sprache ist, die Gefühle und Persön-
 personen über 1500 Wörter beurteilen lichkeit beeinflusst, oder ob es
 und fasste die Ergebnisse in einem umgekehrt eine bestimmte Persönlich-
25 digitalisierten Lexikon der gefühlten keit ist, die durch ihre Art, zu denken
 Sprache zusammen. Ob „Manager“, und zu fühlen, eine besondere Art der
 „Metzger“ oder „Mutter“ - jeder Begriff105 Sprache produziert. „Natürlich laufen
 hatte einen exakten emotionalen Wert, Prozesse zwischen Sprache und Per-
 der seit den 1950er Jahren innerhalb sönlichkeit immer in beide Richtungen
30 der deutschen Sprache weitgehend ab“, sagt Franziska Schubert, Kommun-
 gleich geblieben ist. Ähnliche Studien ikationspsychologin von der Universi1-
 des Soziologieprofessors David Heise110 tät Dresden. Dennoch geht Schubert in
 von der Universität Indiana mit Daten- ihren Studien davon aus, dass sich
 sätzen aus den USA, Japan, China und verschiedene Persönlichkeitsstile in der
35 Polen zeigen, dass die exakten emotio- Sprache niederschlagen. In einer
 nalen Wortbedeutungen auch in Studie ließ Schubert 45 Personen ein
 anderen Kulturen existieren - und über115 stressiges Vorstellungsgespräch
 Jahrzehnte weitgehend gleich absolvieren, über das sie später einen
 geblieben sind. Aufsatz schrieben. In den Texten zeigte
340     Unterschiede ergeben sich erst, sich ein deutlicher Unterschied
 wenn man die emotionalen Wort- zwischen Menschen, die im Persönlich-
 bedeutungen zwischen den Kulturen120 keitstest als ganzheitlich und kreativ
 vergleicht. Das tat Schröder in denkend eingestuft wurden, und
 Zusammenarbeit mit dem Soziologen solchen, die eher analytisch-logisch
45 Andreas Schneider von der Texas Tech denken: Ganzheitlich orientierte
 University. Die Wissenschaftler Personen benutzten zur Beschreibung
 speisten die verschiedenen Datensätze125 des stressigen Interviews eine blumige,
 in ein Computerprogramm ein und weitschweifige, metaphernhaltige
 stellten im Vergleich starke kulturelle Sprache, während analytische Denker
50 Unterschiede fest. So wurden beispiels- eher präzise und faktenreich formu-
 weise Wörter wie „Manager“, „Geist- lierten. Außerdem sprachen sie
 licher“ oder „Präsident“ in den USA als130 dogmatischer, benutzten häufiger
 sehr positiv und mächtig beurteilt, in Wörter wie „absolut“, „auf jeden Fall“
 Deutschland hielt man diese Begriffe oder „mit Sicherheit“. Diese Unter-
55 für weniger machtvoll - und für viel schiede zeigten sich übrigens beson-
 weniger positiv. Mithilfe der digitali- ders deutlich, wenn die Versuchs-
 sierten Daten konnten Schröder und135 personen unter Stress standen. In einer
 Schneider ermitteln, dass das Wort entspannten zweiten Versuchsbe-
 „Manager“ in Deutschland emotional dingung unterschieden sich die beiden
60 mit den Werten des Wortes „Metzger“ Persönlichkeitstypen kaum noch in
 beinahe vollständig übereinstimmt: ihrem Sprachstil.
 ziemlich dynamisch, ziemlich mächtig5140     Dieses Ergebnis legt zum einen
 und ziemlich negativ. „ln den USA sind nahe, dass sich die Persönlichkeit vor
 Autoritäten emotional sehr positiv allem dann im Sprachstil spiegelt,
65 besetzt, man räumt ihnen gerne die wenn Menschen aufgeregt sind und
 Macht ein und zeigt Respekt. In unter Stress stehen. Für Franziska
 Deutschland ist man da eher skep-145 Schubert hat das Ergebnis aber auch
 tisch“, erklärt Schröder das Ergebnis. ganz praktische Konsequenzen: „Wir
 Weitere eklatante Unterschiede zeigten sollten stärker darauf hören, ob unser
70 sich beim Wort „Gott“, das für die Gegenüber analytisch oder ganzheitlich
 Amerikaner die positivste Bedeutung orientiert spricht, und uns dann
 überhaupt hatte. Für Deutsche waren150 sprachlich darauf einstellen.“ Nur so,
 die positivsten Wörter solche, die mit findet die Psychologin, könne man eine
 Familie zu tun hatten. „Mutter“, gelungene Kommunikation zwischen
75 „Vater“, „Bruder“ und „Schwester“ unterschiedlich denkenden Persön-
 lösten stärkere positive Gefühle aus als lichkeiten, beispielsweise einem analy-
 der Begriff „Gott“. Ein dritter wichtiger155 tischen Techniker und einem blumig
 Unterschied bezog sich auf sexuelle sprechenden Künstler, sicherstellen.
Psychologie Heute