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Mailbox oder Müllbox?

Mailbox oder Müllbox?

Von Steffen Habit

1 Eigentlich ist es ganz einfach: Eine kurze    umgangssprachlichen Ton. "Das führt zu
 Nachricht tippen, den Empfänger aus- unzähligen Irritationen und Pannen",
 wählen, ein Mausklick - schon ist die berichtet die Soziologin, die das Bundes-
 E-Mail verschickt. Innerhalb von Sekunden30 forschungsministerium in Fragen der
5 lassen sich auf diese Weise persönliche Informationsgesellschaft berät.
 Grüße oder anonyme Massenwerbungen3 Die Probleme beginnen bereits bei der
 weltweit versenden. Kein Wunder also, dass Masse der ankommenden Mails. "200 bis
 sich E-Mails durchgesetzt haben. 300 Nachrichten am Tag sind heute keine
 Inzwischen besitzt fast jeder Arbeitnehmer35 Ausnahme", weiß Funken. Wer alles lesen
10 einen elektronischen Briefkasten. Doch noch möchte, braucht Stunden. Daher muss die
  Spreu vom Weizen getrennt werden. Dafür
  gibt es eigentlich komfortable Software-
  Filter; die meisten nutzen sie jedoch nicht.
 40 Rasch verkommt die Mailbox zur Müllbox.
  "Viele sehen sich mit einer Informationsflut
  konfrontiert, die sie nicht in den Griff
  bekommen." In Panik wird dann alles
  gelöscht - darunter auch wichtige Nach-
 45 richten.
 4 Doch schon in der Anrede offenbart sich
  die Unsicherheit mit dem neuen Medium.
  Wie soll ich den Kunden ansprechen, was
  schreibe ich an meinen Chef? Allzu schnell
 50 können flapsige Bemerkungen Missver-
 immer gibt es Unsicherheit beim Umgang ständnisse auslösen. Doch der klassische
 mit dem neuen Medium. Dies beweisen die Briefstil ist ebenfalls unangebracht. Obwohl
 Untersuchungen der Freiburger Professorin E-Mail sich zum wichtigsten Kommuni-
 Christiane Funken: "In fast allen Firmen kationskanal in Unternehmen entwickelt,
15 fehlt ein konkretes E-Mail-Management."55 sind die Mitarbeiter kaum vorbereitet. "Es
 Folge: Wichtige Informationen gehen in der fehlen Regelwerke, wie sie für Brief- und
 Masse verloren, Nachrichten werden nicht Faxkorrespondenz seit Jahrzehnten exis-
 archiviert, und es mangelt an klaren Vor- tieren", meint Funken. Zwar gebe es
 schriften, die Gestaltung und den Sprachstil Schulungen zur Bedienung der Programme,
20 regeln.60 aber der Umgang werde nicht trainiert.
2 "E-Mails sind ein Zwittermedium Diese Lücke hat sich die Soziologin zunutze
 zwischen formeller und informeller Kom- gemacht - sie unterrichtet Führungskräfte.
 munikation", erklärt Funken. Einerseits Ziel sei es, die elektronische Kommuni-
 verspreche die schriftliche Form Seriosität. kation zu standardisieren.
25 Andererseits neige man auf Grund der hohen 
 Übertragungsgeschwindigkeit zu einem Süddeutsche Zeitung