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Harvard oder Rollstuhl

 (1) Heuchlerischer kann eine Debatte    Aktionen von Familienministerien und
 kaum sein. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, Stiftungen, die sich dafür einsetzen, dass
 da der Zivildienst endgültig55 auch in der Welt der Zahlen und
 abgeschafft wird und der Sozialstaat unter Dividenden menschliche Qualitäten
5 seiner Last zusammenzubrechen droht, zählen, scheitern daran, dass man damit
 wird über die soziale Arbeit diskutiert, die allem Anschein nach kein Geld verdient.
 junge Leute in Zukunft verstärkt leisten (5) Die Zeit zum Abitur wird verkürzt,
 sollen. Natürlich ist das soziale Pflichtjahr60 Langzeitstudenten zahlen Strafen, Auslandssemester
 - juristisch gesehen - nicht durchsetzbar, kommen wegen des
10 weil die Verpflichtung zu sozialer Arbeit verlorenen Jahres kaum noch in Frage,
 einem Zwangsdienst gleicht und damit Firmen suchen in Anzeigen nach promovierten
 grundgesetzwidrig ist. Vorstandsassistenten, die nicht
 (2) Gleichzeitig aber rufen Politiker und65 älter als 25 sein sollten. Die Phase der
 Verbände voller Pathos, dass mehr Jugend, also des sozialen Lernens, die
15 soziales Engagement doch eine schöne Suche nach einer eigenen Zukunft wird
 Sache wäre; gerade junge Männer müssten verkürzt; die Orientierungslosigkeit, die
 lernen, auch jene Lasten zu tragen, die zum Erwachsenwerden gehört, wird
 sonst in der Regel den Frauen aufgebürdet70 bestraft. Beschleunigung anstelle der viel
 werden; in einer Zeit der Ellenbogen- beschworenen Entschleunigung ist das
20 Mentalität wäre es ein wichtiges Signal, Gebot des Marktes. Wer da freiwillig ein
 dass auch Verantwortung für die Gemeinschaft soziales Jahr einschiebt, ist selber schuld.
 übernommen werden muss. Siebzig (6) Soziale Erfahrungen sollen bitte die
 Prozent der Deutschen finden das laut75 anderen machen, die es nicht eilig haben
 Umfragen auch. auf dem Weg nach oben - die eigenen
25 (3) Nur: Wer so begeistert „Ja“ sagt zu kostbaren Söhne schickt man lieber nach
 netten jungen Leuten, die freiwillig ein Harvard als sie Behinderte im Rollstuhl
 Jahr im Altersheim verbringen, um über die Straße schieben zu lassen. Die
 Greisen den Po abzuwischen, der ist auch80 Wirtschaft, die soziale und emotionale
 in der Pflicht, sich mit der gesellschaft Kompetenzen einfordert, kauft vordringlich
30 lichen Realität auseinanderzusetzen, der junge Leute ein, die gar keine Zeit
 die Jugendlichen an der Schwelle zum hatten, diese wichtigen Kompetenzen zu
 Erwachsensein begegnen. Wo soll diese erwerben.
 Bereitschaft zum sozialen Dienst denn85 (7) In einem funktionierenden Gemeinwesen
 herkommen, die zunehmend verloren geht müsste es aber umgekehrt sein: Ein
35 im Schul- und Berufsalltag, weil systematisch Bewerber, der statt einer dritten Fremdsprache
 andere Werte betont werden? Mitmenschlichkeit ein Praktikum im Altenheim
 ist keine genetische Konstante, vorweisen kann, müsste die besseren
 auf die man nach Bedarf zurückgreifen90 Chancen haben. Und derjenige, der ein
 kann. Hinter der Debatte um eine ökologisches Jahr auf einer Vogelstation
40 Jugend, die nicht nur Rechte, sondern absolviert hat, sollte eher eine Chance auf
 auch Pflichten kennen sollte, steht letztlich einen begehrten Studienplatz haben als
 die Sehnsucht nach einer Jugend, die es derjenige, der gleich von der Schulbank in
 nicht mehr gibt und so bald nicht mehr95 den Hörsaal umzieht. Das Jahr als Helfer
 geben wird. im Kindergarten müsste auf die Rentenzeiten
45 (4) Tatsächlich haben die 18-Jährigen angerechnet werden.
 kaum eine Chance, zu sozialen, warmherzigen, (8) Diese Vorschläge, die in der Debatte
 umsichtigen und verzichtbereiten zum sozialen Jahr vorgetragen wurden,
 Wesen zu werden, die diesem100 sind das einzig nicht Verlogene, weil sie
 vagen Sehnsuchtsbild entsprechen. mit eben jenen Anreizen arbeiten, auf die
50 Wirtschaft, Schulen und Hochschulen Jugendliche in diesem System ausgerichtet
 predigen eher Zielstrebigkeit als Menschlichkeit, werden: Chancen, Erfolg,
 und all jene gut gemeinten Aufstieg, Einkommen.