1 | 1 | | Das Verständnis der Kollegen für die Bedürfnisse, Ziele und Nöte der Behinderten |
| 2 | | bestimmt maßgeblich, wie gut sich Arbeitsleben und Behinderung miteinander verbinden |
| 3 | | lassen. Dies ergab eine sich über die ganze Bundesrepublik erstreckende Untersuchung, |
| 4 | | die Psychologen der Universität Mannheim unter Leitung von Professor Walter Bungard |
| 5 | | durchführten. 105 Behinderte wurden in teils mehrstündigen Interviews befragt. Dabei |
| 6 | | zeigte sich auch, daß sich das Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten häufig als heikel |
| 7 | | erweist. Je auffälliger ein Beschäftigter in Erscheinung tritt, desto wahrscheinlicher ist, |
| 8 | | daß sich Spott und Sticheleien der übrigen Mitarbeiter auf ihn konzentrieren. |
| 9 | | Andererseits reagieren schizophrene oder depressive Personen oft übertrieben sensibel |
| 10 | | auf alltägliche Vorgänge am Arbeitsplatz. Ziehen sich gesunde Kollegen von den |
| 11 | | Behinderten zurück, so meinen die, sie würden hinter ihrem Rücken »madig gemacht«, |
| 12 | | Darunter leiden sie, was vor allem ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. |
2 | 13 | | Alle psychisch Behinderten wünschen sich, von den übrigen Beschäftigten als |
| 14 | | gleichwertige Arbeitskollegen akzeptiert zu werden. Die Auskünfte der behinderten |
| 15 | | Interviewpartner und der ebenfalls befragten nicht behinderten Arbeitskollegen zeigen |
| 16 | | jedoch, daß auf beiden Seiten erhebliche Unsicherheiten, Ängste und Vorurteile darüber |
| 17 | | bestehen, wie der alltägliche Umgang miteinander zu gestalten sei. Dabei nimmt offenbar |
| 18 | | mit zunehmender Betriebsgröße und Streßhäufigkeit die Neigung ab, sich gegenseitig zu |
| 19 | | helfen, wenn Schwierigkeiten bei der Arbeit entstehen. Bei zunehmendem Streß werden |
| 20 | | die Konflikte auch häufiger, und das Verhältnis von Lob und Tadel verschiebt sich zugunsten |
| 21 | | der Kritik. Die Behinderten sind meist in der Lage, sachliche und offene Kritik |
| 22 | | anzunehmen; nur mit versteckter und unsachlicher Kritik können sie nicht umgehen. |
3 | 23 | | Etwa die Hälfte der psychisch Behinderten gab an, daß ihr Verhältnis zum |
| 24 | | Vorgesetzten »gut« oder »sehr gut« sei. Ein Drittel beschreibt es als »durchschnittlich«, die |
| 25 | | übrigen urteilen mit »schlecht« oder »sehr schlecht«. Psychisch Behinderte, die ihr |
| 26 | | Verhältnis zum Vorgesetzten als »gut« oder »sehr gut« einstuften, führten dafür |
| 27 | | hauptsächlich die soziale Unterstützung, das Vertrauen, Verständnis und die Gelassenheit |
| 28 | | ihres Chefs an. |
4 | 29 | | Viele psychisch Behinderte klagten über ihre vergleichsweise wenig qualifizierte, |
| 30 | | häufig monotone Arbeit. Andererseits glaubten die ebenfalls befragten Kollegen und |
| 31 | | Vorgesetzten, die psychisch Behinderten seien gemäß ihrem Können und Wissen |
| 32 | | beschäftigt. Besonders anfällig reagieren die Behinderten auf Störungen und |
| 33 | | Unterbrechungen im Umfeld der Arbeit, die zu Streß, Ärger und Wut, aber auch |
| 34 | | Unsicherheit und Hilflosigkeit führen. |