1 | 1 | | Die Ölpreisschocks der Jahre 1973 und 1979 hatten nach einer vorübergehenden |
| 2 | | Lähmung zunächst hastige Sparmaßnahmen und Markteingriffe zur Folge, die zu |
| 3 | | Rezession und Arbeitslosigkeit führten. Erst allmählich besannen sich die Industrieländer |
| 4 | | auf ihre natürlichen Ressourcen: kreative Ideen und deren Realisierung. Der |
| 5 | | gegenwärtige Verfall der Ölpreise könnte die gegenteilige Entwicklung nach sich ziehen: |
| 6 | | eine Rückkehr zu gedankenloser Verschwendung und zum Erlahmen des Willens, nach |
| 7 | | rationelleren Wegen des Energieeinsatzes zu suchen. Das aber wäre wegen des welt weit |
| 8 | | wachsenden Energiebedarfs und der begrenzten Ressourcen katastrophal. |
2 | 9 | | Sollte eine solche Entwicklung tatsächlich eintreten, so unlängst der Münchner |
| 10 | | Energiewirtschaftler Professor Helmut Schaefer auf einem Seminar der Firma BBC in |
| 11 | | Baden-Baden, sei »die nächste und dann sicher einschneidendere Energiekrise schon |
| 12 | | programmiert.« Auf diese Krise werde man schlecht vorbereitet sein, wenn jetzt keine |
| 13 | | Gelder mehr für die Weiterentwicklung energiesparender Techniken (etwa die |
| 14 | | Wärmepumpe) bereitgestellt oder begonnene Projekte gestoppt würden. |
3 | 15 | | In den letzten anderthalb Jahrzehnten hat die Industrie auf dem Sektor rationeller |
| 16 | | Energieverwendung beträchtliche Erfolge erzielt. Der Energieverbrauch von |
| 17 | | Farbfernsehgeräten sank dank technischer Verbesserungen auf ein Viertel, der von |
| 18 | | Waschmaschinen auf ein Drittel. Kühlschränke und Gefriertruhen verbrauchen heute nur |
| 19 | | noch etwa die Hälfte, Geschirrspüler noch zwei Drittel jener Energie, die vor 15 Jahren |
| 20 | | für die gleiche Arbeitsleistung aufgewendet werden musste. |
4 | 21 | | Wie neue Techniken den Energieverbrauch vermindern können, lässt sich besonders |
| 22 | | eindrucksvoll am Schienenverkehr zeigen. Trotz leicht angestiegener Fahrleistung aller |
| 23 | | Triebfahrzeuge der Deutschen Bundesbahn sank der Primärenergieverbrauch durch die |
| 24 | | Umstellung von Dampf- auf Diesel- und Elektrolokomotiven auf weniger als ein Fünftel |
| 25 | | ab. Zwar stagniert diese Entwicklung, seit die Umstellung abgeschlossen ist, doch kündigt |
| 26 | | sich ein neuer Abwärtstrend im Energieverbrauch durch die stark zunehmende |
| 27 | | Verbreitung von Drehstrom-Antriebsmotoren an. |
5 | 28 | | Die spektakuläre Entwicklung war eine Folge des Ölpreisschocks. Der gegenwärtige |
| 29 | | Preisverfall auf dem Ölmarkt könnte künftig dazu führen, dass zu wenig über solche |
| 30 | | rationellen Techniken nachgedacht wird - obwohl, wie das Fraunhofer-Institut soeben in |
| 31 | | einer Studie feststellte, das wirtschaftlich nutzbare Potential der rationellen |
| 32 | | Energieverwendung »nicht annähernd ausgeschöpft« ist. Doch das »Energiebewusstsein« |
| 33 | | der Verbraucher geht durch rückläufige Preisentwicklungen und ungenügende |
| 34 | | Information spürbar zurück. Was sich mit den Erfahrungen von Professor Schaefer deckt, |
| 35 | | der eine stärkere Aufklärung fordert. Denn wem sei schon bewusst, dass man mit einer |
| 36 | | Kilowattstunde Energie sich 85 Stunden lang rasieren, 17 Stunden lang eine |
| 37 | | 60-Watt-Glühlampe betreiben oder drei Mittelklassenautos auf die Turmspitze der |
| 38 | | Münchener Frauenkirche heben, aber nur zwei Minuten lang warm duschen könne? |