1 | 1 | | Die Eingliederung in das Berufsleben hat den Frauen in der DDR ein hohes Maß |
| 2 | | wirtschaftlicher Unabhängigkeit gebracht. Müttern wird der Verbleib im Arbeitsleben |
| 3 | | nach Kräften erleichtert. Jedem Mädchen steht heute eine Ausbildung offen. Berufliche |
| 4 | | Emanzipation ist weit fortgeschritten, wenn auch der Anteil von Frauen in |
| 5 | | Führungspositionen gering geblieben ist. |
2 | 6 | | Die seit Jahrzehnten verfolgte Förderung von Frauen hat mehrere Gründe. Da ist |
| 7 | | einmal die sozialistische Überzeugung der SEDI, dass Gleichberechtigung der |
| 8 | | Geschlechter ohne ökonomische Unabhängigkeit nicht möglich ist. Zum anderen |
| 9 | | versucht die Regierung, mit den umfangreichen gesetzlichen Vorschriften eine hohe |
| 10 | | Geburtenrate zu gewährleisten und zugleich das Arbeitskräftepotential der DDR für die |
| 11 | | unter geringer Produktivität leidende Planwirtschaft voll auszuschöpfen. |
3 | 12 | | Von den mehr als 8,2 Millionen Berufstätigen in der DDR sind die Hälfte Frauen. |
| 13 | | Ihre Entscheidung oder die der Eheleute für ein Kind soli nicht zur Teilzeitarbeit oder |
| 14 | | zum Arbeitsverzicht eines Partners und dessen Rückzug in den Haushalt führen. Prallen |
| 15 | | im Alltag - was nicht selten vorkommt - private und betriebliche Interessen aufeinander, |
| 16 | | sind Frauenkommissionen der Betriebsgewerkschaftsleitungen zur Vermittlung |
| 17 | | vorgesehen. |
4 | 18 | | Den Unternehmensführungen bereiten dagegen die seit 1976 geltenden |
| 19 | | Regelungen zur Geburtenförderung wegen der damit verbundenen hohen |
| 20 | | Ausfallstunden einiges Kopfzerbrechen. Längere Abwesenheit vom Arbeitsplatz kann |
| 21 | | vor allem dann kaum mit Vertretungen aufgefangen werden, wenn es sich um |
| 22 | | akademisch gebildete Frauen handelt. |
5 | 23 | | In der DDR beträgt der mit dem vollen Nettodurchschnittsverdienst bezahlte |
| 24 | | Schwangerschafts- und Wochenurlaub 26 Wochen. Berufstätige Mütter haben nach der |
| 25 | | Geburt des zweiten und jedes weiteren Kindes die Möglichkeit, im Anschluss daran bis |
| 26 | | zur Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes eine bezahlte Freistellung von der |
| 27 | | Arbeit in Anspruch zu nehmen. |
6 | 28 | | Berufstätige Mütter mit zwei Kindern brauchen bei vollem Lohnausgleich statt 42 |
| 29 | | nur 40 Stunden zu arbeiten. Verheiratete oder Frauen mit Familie bekommen monatlich |
| 30 | | einen »Haushaltstag«. Für Mütter mit Kindern bis zu einem Jahr und für »alleinstehende |
| 31 | | Werktätige « mit Kindern bis zu drei Jahren besteht Kündigungsverbot. Selbst wenn sie |
| 32 | | durch ihr eigenes Verhalten die fristlose Entlassung herbeigeführt haben, kann diese nur |
| 33 | | mit Zustimmung des Rates de s Kreises erfolgen. |
7 | 34 | | Der in der Industrie verordnete Übergang zum durchgängigen |
| 35 | | Drei-Schicht-System bei »rollender Fünf-Tage-Woche« - das heißt unter Einschluss des |
| 36 | | bisher freien Wochenendes - hat die betrieblichen Arbeitsprobleme verschärft. Frauen |
| 37 | | mit Kindern im Vorschulalter können Nachtarbeit und Überstunden ablehnen. Sie tun |
| 38 | | dies gern ; denn der neue Arbeitsrhythmus bedeutet, besonders mit Kindern und Familie, |
| 39 | | ein völliges Umdenken und Umorganisieren des Lebens. Werden sie unter starken |
| 40 | | psychologischen Druck gesetzt, kündigen sie oder wechseln, obwohl qualifizierte |
| 41 | | Facharbeiterinnen, auf Stellen für Angelernte. |
8 | 42 | | Um Zuspitzungen zu vermeiden, haben Betriebe und Gewerkschaften mittlerweile |
| 43 | | ein recht flexibles Verhalten entwickelt. Individuelle Vereinbarungen über Arbeitszeit |
| 44 | | oder Fortbildung vollbeschäftigter Mütter sind vielerorts möglich geworden. Mütter mit |
| 45 | | Kleinkindern können bei der Arbeit Gleitzeit in Anspruch nehmen, wenn |
| 46 | | Kindereinrichtungen erst nach Schichtbeginn öffnen. Selbst bei einer längeren |
| 47 | | Freistellung ist für sie die Rückkehr zur alten Aufgabe gesichert. Wenn erforderlich, |
| 48 | | werden - oft zum Verdruß der dafür vorgesehenen Kollegen - befristete Vertretungen |
| 49 | | eingesetzt. |
9 | 50 | | Dennoch wünschen DDR-Frauen vielfach Teilzeitbeschäftigungen. Dies sei , |
| 51 | | kritisiert eine Gewerkschaftskollegin, neben den häuslichen Anliegen, »zum Teil au eh |
| 52 | | eine Frage der Einstellung zur Arbeit«. Die ausgelasteten Staatsbetriebe bieten aber |
| 53 | | ungern Teilzeitjobs an. Ihr Rationalisierungstempo macht dies in größerem Umfang |
| 54 | | derzeit nicht erforderlich. |