„Der reine Horror“, sagt Martina | | |
Reinelt, 42, aus Lohmar bei Köln, „es | | |
war der reine Horror.“ Als ihr Sohn | | |
Bennet gerade ein halbes Jahr alt | | |
war, erkrankte er schwer. Bennet | | |
vertrug keinen Roggen, weder | | |
Weizen noch Hirse. Keinen Reis. | | |
Weder Vanille noch Kamille. Keine | | |
Milchprodukte. Und Wurst durfte er | | |
natürlich auch nicht. Ein Martyrium. | | |
Irgendwann aß der Junge kaum | | |
noch, an seinem dritten Geburtstag | | heute ein schwerer Fall anruft, lässt |
wurde Bennet ins Krankenhaus | | sich Tauscher sämtliche unverträg- |
eingeliefert: Lebensgefahr. | | lichen Stoffe aufzählen. Dann über- |
| | legt er, was genommen werden |
Aber dann, es war der 6. Dezem- | | könnte, damit die Wurst trotzdem |
ber, kam ein Paket von Schlachter | | schmeckt. Aber meistens ist es |
Rudolf Tauscher aus Mecklenburg- | | komplizierter. Tauscher stellt |
Vorpommern. Für Martina Reinelt | | Gewürzmischungen zusammen, |
„das schönste Nikolaus-Geschenk | | schlägt Ersatzstoffe vor, schreibt |
meines Lebens“. Der Inhalt: zehn | | schließlich ein Rezept. Das schickt er |
grobe Leberwürste, zehn Mettwürste, | | zurück, damit der Kunde überprüfen |
zehn Bratwürste. „Das roch so lecker, | | kann, dass ja nichts übersehen |
den Geruch habe ich immer noch in | | wurde und Unverträglichkeiten |
der Nase.“ Die Wurst des Schlach- | | ausgeschlossen sind. Eine Rück- |
ters aus dem Dorf Boddin bei | | versicherung, für alle Fälle. |
Schwerin war nicht nur die erste | | Und individuell produzieren, das |
Wurst im Leben von Bennet, sie war | | macht nur Rudolf Tauscher aus |
auch der Anfang vom Ende seiner | | Boddin. |
Leiden. Keine allergischen Reaktio- | | |
nen, nur Geschmack, Genuss und, | | Ist die Wurst fertig, probiert erst |
endlich, Lust am Essen. Inzwischen | | der Meister, dann müssen seine |
verträgt der Fünfjährige selbst | | Arbeiter ran. Gibt es keine Klagen, |
gebackenes Brot und Pfannkuchen. | | geht die Wurst raus. Das alles hat |
Es geht aufwärts. | | seinen Preis, aber wirklich teuer ist |
| | es nicht. „Bei mir kostet die |
Eines Tages, vor Jahren, kamen | | Allergiker-Wurst vielleicht 20 Prozent |
Allergiker aus Schwerin zu ihm und | | mehr als die normale Wurst bei |
fragten, ob er nicht eine Wurst | | irgendeinem Schlachter“, sagt |
herstellen könne, die sie vertrügen. | | Tauscher. |
Das Rezept sei fertig, die Wurst | | |
müsse nur noch gemacht werden. | | Martina Reinelt hat das nächste |
Alle anderen Schlachter hätten | | Paket Tauscher-Wurst schon bestellt. |
abgewinkt, ob Tauscher nicht helfen | | Warum geht sie nicht einfach zu |
wolle. „Ich liebe es, Neues auszupro- | | einem Schlachter in der Nähe? „Weil |
bieren“, sagt er. Natürlich wollte er. | | nicht einer von denen, die ich gefragt |
So fing es an. | | habe, sich die Mühe machen wollte |
| | oder konnte. Und ich habe viele |
| | gefragt.“ Bis eine Bekannte ihr den |
„Bei mir landen immer die schwer- | | Tipp mit Tauscher gab. Der Schlach- |
sten Fälle“, sagt Rudolf Tauscher, | | ter in Boddin nimmt das alles |
56, „aber das macht nichts. Heraus- | | gelassen. Der Forscher in ihm kann |
forderungen spornen mich an.“ Wenn | | es kaum erwarten. Neue schwere |
| | Fälle bedeuten Neuland. |
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