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Verflixt und zugeschweißt

Verflixt und zugeschweißt

In Amerika hat sich ein berühmter Sportler beim Öffnen einer DVD-Hülle
schwer verletzt. Er ist kein Einzelfall. Auch in Deutschland häufen sich
Verpackungs-Opfer. Muss das so sein?
Von Sandra Winkler

Womit machen Sie eigentlich ein-
geschweißte DVDs auf? Schere,
Schlüssel, Zähne? Also, der
amerikanische Baseballspieler
Adam Eaton benutzt ein Messer.
Beim Öffnen der letzten Box
hat er sich damit allerdings kürzlich
ins eigene Fleisch geschnitten: Eaton
rutschte ab und rammte sich die
Klinge in den Bauch. Resultat: er
wurde mit zwei Stichen genäht, und
die San Diego Padres spielten am
nächsten Tag ohne ihren Werfer.
"Diese DVDs stecken in einer Plastik-
folie. Die kann doch kein Mensch
aufkriegen", war Eatons Kommentar.
Und die meisten Amerikaner sehen
das genauso. Der Unfall ihres
Baseballstars sorgt in den USA
zurzeit für Diskussionsstoff: "Warum
kann man Verpackungen bloß so
schwer öffnen?", fragt die Wochen-
zeitung "USA Today" [id:].
Ein Rätsel, das auch in Deutschland
viele Verbraucher umtreibt.
Zahnbürsten sind geschützt, als
wären sie hoch-radioaktives Material,
in Cellophan gehüllte CDs wirken wie
Geduldsspiele, und bei mancher
Milchtüte fragt man sich: Ist die mit
Kindersicherung? Viele Verpackungen
sollen den Konsumenten offenbar
vom Inhalt fernhalten. Das ist frus-
trierend und endet oft mit brutaler
Gewalt. Erst wird dran gerissen, dann
zugebissen und am Ende kommt der
Griff zur Schere oder zum Messer -
nicht ohne 18 : "Ich verarzte
ungefähr zwanzig Verpackungsopfer
im Monat", sagt Boll Reimann,
Unfallchirurg am AK St. Georg in
Hamburg. "Ein Messer im Bauch ist
natürlich 19 , aber an den
Rändern von Dosen schneiden sich
viele. Oder an Kartons wird
ungeschickt mit dem Messer hantiert."
"Dabei könnte man heute jedes
Verpackungsproblem lösen. Die
Designer geben sich im Allgemeinen
wenig Mühe, wenn es um die
praktische Seite geht", sagt Professor
Dieter Berndt, Vorstandsvorsitzender
des Deutschen Verpackungsinstituts.
Für bessere Öffnungsmechanismen
müssten 20 neue Ideen entwickelt
und mehr Geld ausgegeben werden.
Jede Kerbe im Plastik, jeder Aufriss-
faden kostet nur einen zehntel
Pfennig, zu viel bei den geringen
Margen im Lebensmittelbereich. Wie
21 allerdings solche Investitionen
sein können, sieht man an Zigaretten-
schachteln: Eine Schachtel Marlboro
bekommt jeder leicht auf.
Leider ist nach Meinung der
meisten Firmen eine leicht zu
öffnende Packung kein Kaufanreiz.
Und so werben sie lieber damit, dass
das gute alte Waschmittel jetzt noch
weißer wäscht oder der Schokoriegel
noch nussiger schmeckt, anstatt mit
einer 22 Verpackung zu punkten.
Den Herstellern ist es egal, wie der
Verbraucher an die Ware kommt,
dass ihm der Joghurt aufs Hemd
spritzt oder die Chipstüte am falschen
Ende aufplatzt.
Solange die Käufer 23 , werden sie
sich wohl weiterhin die Fingernägel
abbrechen und das Hemd mit aufplatzenden
KetchupBeuteln ruinieren: Weder Stiftung
Warentest noch der Verbraucherschutz
haben sich bislang mit dem
Thema schwer zu öffnender Verpackungen
auseinander gesetzt.
Es gibt allerdings auch Fälle, in
denen die Käufer selbst Schuld an der
Verpackungsmisere sind. Aus ökolo-
gischen Gründen wurden Zahnbürsten
eine Zeit lang ausschließlich
in Karton verpackt. Doch die Industrie
musste feststellen, dass die Kunden
die Bürste ihres Vertrauens erst
sehen wollen bevor sie sie mit nach
Hause nehmen. Sie rissen die Kartons
im Laden auf. Also gibt es die
Bürsten nun wieder hinter transparan-
ter Plastikschale.
Und noch einen Grund für
24 verpackte Produkte liefern die
Kunden: CDs, DVDs, Video- und
Musikkassetten stecken in engen
Folien ohne Aufrisshilfen, um
Diebstahl vorzubeugen. Da die CD
selbst nicht markiert werden kann,
könnte sie ein Dieb einfach aus der
gesicherten Hülle nehmen und den
Laden verlassen. Die Alarmanlagen
würden dies nicht registrieren. In den
USA legen einige Hersteller bereits
kleine Werkzeuge in Spielzeug-
Kartons, damit man die Sachen
besser aus dem Karton bekommt.

Welt am Sonntag