Sebastian Zintl und Virginia Prechtl sind zusammen 100. Er ist 22, sie 78 Jahre alt.
Die beiden teilen sich ein Haus. Wie das funktioniert? Eigentlich wie eine (fast)
normale WG..
jungen Menschen halte sie auch selbst | ||||||
50 | jung, glaubt Frau Prechtl: 3 hat ihr | |||||
Mitbewohner sie schon mit dem | ||||||
Internet vertraut gemacht. Und wie der | ||||||
junge Mann sei auch sie mittlerweile | ||||||
zum Fan der Pop-Queen Norah Jones | ||||||
55 | geworden. Dafür wird Sebastian nicht | |||||
nur von seiner Vermieterin, sondern | ||||||
vor allem von ihren betagten | ||||||
Freundinnen umhegt: „Die alten Damen | ||||||
(1) München-Pasing ist ein ruhiger | verwöhnen ihn so sehr, dass er nie | |||||
Stadtteil in der Bayernmetropole. Es | 60 | mehr geht. Bestimmt zehn Tage wurde | ||||
steppt dort nicht gerade der Bär, dafür | Geburtstag gefeiert“, lacht Virginia | |||||
ist es ruhig und idyllisch. Hier hat | Prechtl. Wirklichen Stress gebe es | |||||
5 | Virginia Prechtl ein kleines Häuschen. | eigentlich nie. „Frau Prechtl ist für ihr | ||||
Seit vor vier Jahren ihr Sohn ausgezogen | Alter wahnsinnig offen und tolerant“, | |||||
ist, lebt die alte Dame mit Studenten | 65 | lobt Sebastian, „und wenn man mal | ||||
zusammen. Sebastian Zintl, der | einen schlechten Tag hat, wird man | |||||
vor knapp einem Jahr aus der Nähe | hier auch in Ruhe gelassen. Dafür hat | |||||
10 | von Leipzig nach München zog, ist | sie einfach das richtige Feingefühl.“ | ||||
bereits der vierte „Mieter“ des Zimmers | Übrigens: Sogar mit Damenbesuch hat | |||||
im Obergeschoss. | 70 | die Hausherrin kein Problem. | ||||
(2) Der Untermietvertrag basiert auf | (4) Das Duo Zintl-Prechtl ist kein Einzelfall: | |||||
dem Prinzip „Wohnen gegen Hilfe“: Für | Derzeit 76 solcher Alt-und- | |||||
15 | jeden Quadratmeter Wohnfläche | Jung-WGs werden von Gisela | ||||
seines 14-Quadratmeter-Zimmers arbeitet | Frangenheim vom Seniorentreff | |||||
Sebastian eine Stunde im Monat. | 75 | Neuhausen in München, die das Projekt | ||||
Er mäht den Rasen, geht einkaufen | seit 1996 koordiniert, betreut. Sie | |||||
oder fährt Frau Prechtl, die nicht mehr | vermittelt die Vermieter und Untermieter, | |||||
20 | so gut laufen und sehen kann, zum | ist Ansprechpartner, wenn es | ||||
Arzt. „Ich helfe ihr eben bei all den | mal Probleme gibt und versucht, bei | |||||
kleinen Dingen des Alltags, die ihr | 80 | älteren Menschen Vorurteile abzubauen. | ||||
nicht mehr so leicht von der Hand | Denn viele Senioren haben trotz | |||||
gehen“, erzählt der Medizinstudent. | Einsamkeit und Hilfebedürfnis Hemmungen, | |||||
25 | „Manchmal gehen wir auch einfach nur | einen Fremden in ihre Wohnung | ||||
zusammen spazieren oder machen | aufzunehmen, während von den | |||||
Ausflüge, aber das wird natürlich nicht | 85 | jungen Bewohnern neben den Hilfeleistungen | ||||
unter Arbeitszeit verbucht.“ Sowohl für | auch eine gewisse Rücksichtnahme | |||||
Virginia Prechtl, die hofft, so noch | und Kontinuität gefordert sei. | |||||
30 | lange im eigenen Haus wohnen zu | „Es klappt aber immer besser“, stellt | ||||
können, als auch für Sebastian, der in | Frangenheim erfreut fest. | |||||
der Horrormietenstadt München vergleichsweise | 90 | (5) Virginia Prechtl und Sebastian Zintl | ||||
günstig wohnt, ein prima | haben von Anfang an keine Fragen | |||||
Deal. Dass die beiden sich inzwischen | offen gelassen, so dass jetzt kaum | |||||
35 | bestens „z’sammgerauft“ haben und | mehr besondere Regeln notwendig | ||||
sogar eine richtige Freundschaft | sind. Ab 22 Uhr herrscht normaler | |||||
entstanden ist, macht das Zusammenleben | 95 | weise Nachtruhe, zum Rauchen geht | ||||
natürlich noch entspannter. | Sebastian nach draußen, dafür ist | |||||
(3) Ein ähnlicher Humor ist dabei die | Virginia Prechtl auch nachsichtig, wenn | |||||
40 | wichtigste Komponente: Mit den Worten | er mal sein Geschirr nicht wegräumt. | ||||
„lustig muss es schon sein“ habe | Vorurteile gegenüber dem Zusammen | |||||
„der Bastl“ sich vorgestellt und als | 100 | leben mit einer 56 Jahre älteren Frau | ||||
dann auch noch Hündin Tessie (13) mit | konnte Sebastian auch bei seinen | |||||
dem jungen Mann auszukommen | Freunden abbauen: „Selbst wenn vorher | |||||
45 | schien, war alles schnell klar: „An ihr | Skrupel da waren: Sobald man zur | ||||
vorbeizugehen ist eine Todsünde, dann | Tür reinkam, sah es ganz anders aus.“ | |||||
kann sie richtig ekelhaft werden“, meint | 105 | Er hat jedenfalls nicht vor, sich eine | ||||
Frauchen. Das Zusammenleben mit | andere Wohnung zu suchen. |