| | | Elektronische Fußfessel: Ist sie einen Versuch wert? |
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1 | 1 | | 1988, berichtete der KURIER über Experimente in Amerika und Kanada. Eine |
| 2 | | Alternative zum Gefängnis wurde langsam zur Routine:[id:80809]. Der Gefangene verbüBt |
| 3 | | seine Strafe daheim und wird elektronisch überwacht. |
2 | 4 | | Das Urteil gegen einen US-Nervenarzt ging damals um die Welt. Der 63 jährige, der |
| 5 | | sich in Hollywood in einer Traumvilla zwischen »Rambo« Stallone und Barbara Streisand |
| 6 | | eingenistet hatte,[id:80810]nebenbei Wohnungen, in denen Wasser vom Plafond tropfte |
| 7 | | und Ratten vor Vergnügen quietschten. Die Menschen, die hier hausten, mußten dem |
| 8 | | Psychiater umgerechnet 10.000 Schilling im Monat zahlen. Der Millionär wurde verurteilt, |
| 9 | | 30 Tage im Dreck seiner Slum-Wohnungen zu leben. Die elektronische Schachtel am Bein |
| 10 | | [id:80811], daß er sich heimlich in seine Villa verdrücken konnte. |
3 | 11 | | Im Mai dieses Jahres ist die »Fußfessel« in Europa gelandet. In sechs schwedischen |
| 12 | | Verwaltungsbezirken wird sie getestet, und man ist sehr daran interessiert, es im ganzen |
| 13 | | Land einzuführen.[id:80812]sind teuer. Brutstätten des Verbrechens sind sie sowieso. Der |
| 14 | | Staat spart etwa 50 Prozent der Kosten. Alle 15 Sekunden schickt der Sender ein Signal |
| 15 | | aus. Das Telefon in der Wohnung fängt es auf und leitet es ans Überwachungsbüro weiter. |
4 | 16 | | Nur eine bestimmte Kundschaft hat zur Zeit die Möglichkeit zu wählen, ob sie |
| 17 | | hinter Schloß und Riegel will oder lieber daheim gefangen ist: Zwei Monate sind die |
| 18 | | Obergrenze für die alternative Strafe. Aber wer wird schon zu zwei Monaten Haft |
| 19 | | verurteilt? In Österreich so gut wie niemand. Entweder »gleich ein paar Jährchen« oder, |
| 20 | | für die[id:80813], eine Strafe auf Bewährung. Das macht es unserem Justizministerium so |
| 21 | | schwierig, die elektronische Überwachung ernstlich in Erwägung zu ziehen. |
5 | 22 | | In Schweden ist man ganz heil auf Alkoholsünder.[id:80814]war der erste |
| 23 | | »elektronische Häftling« eine 44jährige Frau, die Schnaps verkauft hatte. Das dürfen |
| 24 | | nämlich nur staatliche Geschäfte und Bars und Restaurants. Die Frau hat einen kranken |
| 25 | | Mann zu Hause, sie hat ein Enkelkind, auf das sie aufpassen sollte - sie nahm das Angebot |
| 26 | | des Staates, nicht hinter schwedischen Gardinen sitzen zu müssen,[id:80815]an . Die Beinschachtel |
| 27 | | mußte sie mieten. Rund 80 Schilling zahlte sie pro Tag. |
6 | 28 | | Verließ sie das Haus, wußten ihre[id:80816]genau, ob es ein erlaubter Ausflug war |
| 29 | | oder nicht. Zur Arbeit gehen, auf kürzestem Weg, ist erlaubt. Und am Wochenende stehen |
| 30 | | zwei Stunden zur freien Verfügung. Alkohol ist nicht erlaubt. Drei- bis viermal die Woche |
| 31 | | platzten die[id:80817]in die Wohnung und lieBen die Schwedin ins Röhrchen blasen. |
7 | 32 | | Aber da gibt's mittlerweile auch schon etwas Neues: Ein Heimgerät, das die |
| 33 | | Kontrolle übernimmt. »Hauch mich an!« ruft die Computerstimme, und mit Vergnügen |
| 34 | | ruft sie es während der Nacht. Das aber macht die Sache[id:80818]:Wozu ist die |
| 35 | | Computer-Überwachung noch fähig? Technisch ist es überhaupt kein Problem, den zu |
| 36 | | Hause Gefangenen nach Lust und Laune mit StromstöBen aus der Bein-Schachtel daran |
| 37 | | zu erinnern, daß er brav sein soll. |
8 | 38 | | Und auch das gehört diskutiert: Sind Gefängnisse nicht viel[id:80819]? »Die |
| 39 | | Reichen«, macht sich ein Wiener Staatsanwalt Gedanken, »die setzen sich daheim in ihre |
| 40 | | Villa. Die Armen müssen zurück in ihre Zimmer-Küche-Wohnung. Nein, darüber braucht |
| 41 | | man gar nicht reden. Das wäre höchst unfair. |
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| | | Aus: Kurier |