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Gunther und seine Blech-Kumpane

Gunther und seine Blech-Kumpane

11    »Dui« ist ein aufmerksamer Gastgeber. Kommen Besucher ins Haus, begrüßt er sie
2 hötlich und bietet ihnen Kaugummi und Getränke an. Obwohl er erst zehn Jahre alt ist,
3 fällt er nicht nur durch seine Artigkeiten, sondern auch durch seine Brillanz im
4 Schachspielen auf. »Dui« hat auch noch mehrere Brüder und eine schöne Schwester; sie
5 heißt Lydia und besticht durch ihre auffallende schwarze Lockenpracht. Wie Bruder
6 »Dui« bedienen auch sie gern Gäste und lieben Gesellschaftsspiele.
27    Diese Eigenschaften sind auf den ersten Blick nicht gerade ungewöhnlich, versetzen
8 aber in Erstaunen, wenn man einen zweiten riskiert: Bei »Dui« und seinen Geschwistern
9 handelt es sich nämlich um Roboter, gebaut von dem Diplompsychologen Gunther
10 Olesch aus Bochum.
311    Olesch fand schon als Kind die Zukunft wesentlich interessanter als die Gegenwart.
12 Science-fiction-Romane waren die große Leidenschaft und regten ihn an, seine
13 Vorstellungen und Wünsche wenigstens in Träumen zu erleben. Durch diese Lektüre kam
14 er dann auch auf die Idee, selbst Roboter zu konstruieren.
415    Damals war der heute 31jährige elf Jahre alt. »Terra 1« nannte er sein erstes
16 Geschöpf, bestehend aus Pappe, zwei Lämpchen und einem Motor. Durch dies en konnte
17 ein Deckei im Bauch geöffnet und geschlossen werden. Der »Robotermagen« war dem
18 Buben Tresor für all die Dinge, die er vor anderen verbergen wollte.
519    Zwei Jahre später entstand »Mhaak«, für den ebenfalls ein Wesen aus den
20 utopischen Romanen Pate stand. »Mhaak« bediente nicht nur Gäste, er erschreckte sie
21 auch, indem er aus beiden Armen Schaschlikspieße »verschoß« oder aus der zu
22 öffnenden Bauchdecke Erbsen katapultierte. Doch nicht genug mit diesen Scherzen. Die
23 Entwicklung ging weiter. »Worker« trat auf den Plan. Er war Olesch' erster Roboter, der
24 ausfahrbare Arme und zweifingrige Hände hatte, die zugreifen konnten. »Worker« wurde
25 ft als Wachposten eingesetzt und erlaubte nur dem Besucher die Wohnung zu betreten,
26 der im Besitz einer bestimmten Lochkarte war. Die mußte er dem Wachhabenden
27 zwischen die Finger schieben. Erst wenn »Worker« die Karte akzeptiert hatte, öffnete er
28 die Tür. »So konnte ich verhindern, dass mich unerwünschte Gäste besuchten«,
29 schmunzelt der Tüftler.
630    Den genannten Robotern folgten noch mehr als 20 Artgenossen unterschiedlicher
31 Größe und Funktion. Um sein teures Hobby zu finanzieren (Materialwert pro
32 Maschinenmensch bis zu 10 000 Mark), vermietet Olesch seine Diener auf Messen und
33 Ausstellungen. Dort verteilen sie Werbeprospekte, bieten Getränke, Zigaretten und
34 Süßigkeiten an oder erlauben sich kleine Späße mit Messebesuchern.
735    Mittlerweile zeigt sich der Bastler auch auf anderen Gebieten zukunftsorientiert: Er
36 malt futuristische Bilder und schreibt - na, was wohl? - Science-fiction-Romane.
Weltbild. 28.2.1986