1 | 1 | | »Der jüngste Stuntman Deutschlands, ein Supertalent!« So rückt der Ingolstädter |
| 2 | | Sensationsdarsteller Sascha Borysenko seinen jüngsten »Lehrling« ins Blickfeld. Der |
| 3 | | zwölfjährige Jochen Rittler aus Rückersdorf bei Nürnberg zeigt, was er kann: Der Junge |
| 4 | | kugelt sich über die Motorhaube des väterlichen Autos und purzelt die Stufen einer |
| 5 | | Steintreppe hinunter. |
2 | 6 | | Als Anfang des vergangenen Jahres an einem Montagabend bei RittIers eine Folge |
| 7 | | aus der Fernseh-Serie »Ein Colt für alle Fälle« über den Bildschirm flimmerte, hatte |
| 8 | | Jochen im Titelhelden - einem Profi-Stuntman - sein Idol gefunden. Kurz darauf geriet |
| 9 | | der Zwölfjährige durch eine Anzeige in einer Illustrierten an die Adresse einer |
| 10 | | Stuntmen-Schule in Ingolstadt. »Ich sollte da gleich mal anrufen«, erzählt die Mutter, |
| 11 | | »das hab' ich auch getan, aber ganz geheuer war's mir nicht dabei.« Vater Rittler hatte |
| 12 | | diese »gemischten Gefühle« nicht. Mit Stolz weist er darauf hin, dass der auch aus |
| 13 | | Fernseh-Krimis bekannte Stuntman Borysenko seinen Sprößling schon im zarten Alter |
| 14 | | von zwölf Jahren in seine Schule aufgenommen hat. In der Regel bildet dieser nämlich |
| 15 | | erst Jungen ab 16 Jahren aus. |
3 | 16 | | Nun seit einem Jahr kutschiert Norbert Rittler seinen Junior alle 14 Tage nach |
| 17 | | Ingolstadt, wo Jochen mit Borysenko jedesmal ein drei- bis vierstündiges |
| 18 | | Trainingsprogramm absolviert. Da rollt Jochen Treppen hinunter, prügelt sich und stürzt |
| 19 | | von Mauern. Von Verstauchungen, Brüchen oder anderen Verletzungen ist er bis her |
| 20 | | verschont geblieben. »Ich bin ja jedesmal dabei«, meint Vater Rittler. »Außerdern |
| 21 | | beaufsichtigt Herr Borysenko jede einzelne Szene, und alles wird ausführlich geübt.« Als |
| 22 | | zusätzliches Training betreibt der Zwölfjährige jeden zweiten Dienstag in der Schule den |
| 23 | | sogenannten »differenzierten Sport«: ein bißchen Volleyball, Handball und |
| 24 | | Leichtathletik. Das genügt für die Kondition. |
4 | 25 | | Vater Rittler: »Jeder vielseitige Sportler kann Stuntman werden.« Dem |
| 26 | | schüchternen »Wunderkind« scheint der Rummel um seine Person nicht sonderlich zu |
| 27 | | behagen. So kommen die Eltern mehr zu Wort, die erzählen, dass Jochen auch gern |
| 28 | | Fußball spielt und dass die Schule selbstverständlich nicht vernachlässigt wird. |
5 | 29 | | Der älteste Sohn, der l7jährige Michael, findet neben der Schule keine Zeit mehr |
| 30 | | für Sport. Dennoch bleibt er von der Begeisterung seines kleinen Bruders für |
| 31 | | Sensationsdarstellungen nicht unberührt. »Wenn es im Fernsehen was Einschlägiges zu |
| 32 | | sehen gibt, will Jochen die Stunt-Szenen immer an mir ausprobieren. Da kommt er dann |
| 33 | | in mein Zimmer, und ich muß dafür herhalten.« |
6 | 34 | | Vater Rittler hat die Hoffnung, dass sein Sprößling in diesem Jahr zu seinem ersten |
| 35 | | Filmeinsatz kommt, als Double für gefährliche oder akrobatische Szenen seinen Auftritt |
| 36 | | hat. Eventuellen späteren Berufswünschen in diese Richtung steht er jedoch realistisch |
| 37 | | gegenüber: »Davon kann man doch in Deutschland nicht leben.« |
| | | |
| | | Stafette. Mai 1986 |