1 | 1 | | Die Indianer sind wild, pirschen mit Giftpfeilen durchs Unterholz und geben |
| 2 | | beschwörende Laute von sich. Es sind zutiefst gute Menschen, die sich ihrer Nacktheit |
| 3 | | nicht schämen und irgendwie der Hilfe des weißen Mannes bedürfen, Von Karl May bis |
| 4 | | zum Privatfernsehen: An unseren Klischees von der Exotik ferner Indianervölker hat sich |
| 5 | | nicht viel geändert. Für Filmproduzent Wolfgang Kwiattek (31) Grund für ein |
| 6 | | bahnbrechendes Experiment: Mit sechs Kindern aus dem Kreis Recklinghausen, fünf |
| 7 | | Jungen und einem Mädchen im Alter zwischen neun und dreizehn Jahren, unternahm er |
| 8 | | im Frühjahr 1993 eine vierwöchige Expedition zu den Yanomami-Indianern in den |
| 9 | | Regenwald Venezuelas. »Mein Freund ist Yanomami«, so der Titel des Berichts über das |
| 10 | | ungewöhnliche Erlebnis, ist jetzt in Bayern 3 zu sehen (1. Januar, 18 Uhr). |
2 | 11 | | »Voneinander lernen - mit der Vorurteilslosigkeit und Wißbegierde, wie sie nur |
| 12 | | Kinder haben«, das war das Motiv des Filmemachers aus dem westfälischen Marl. Weitere |
| 13 | | Teilnehmer der Kinderexpedition waren sechs Erwachsene als Betreuer, darunter ein |
| 14 | | Arzt. Nach einjähriger Vorbereitungsphase und viel Überzeugungsarbeit setzte sich der |
| 15 | | Troß in Bewegung: über die venezolanische Hauptstadt Caracas in die Provinzmetropole |
| 16 | | Puerto Ayacucho im Orinoco-Quellgebiet. Mit einem alten Buschflugzeug ging es weiter |
| 17 | | zum Orinoco, von dort viereinhalb Tage Flußfahrt im Einbaum und Fußmarsch zur |
| 18 | | Indianersiedlung Aweti-Teri. Hier, in der Abgeschiedenheit des Regenwaldes, leben knapp |
| 19 | | 100 Yanomamis, ernähren sich von Jagd und Fischerei. |
3 | 20 | | Was dann kam, entsprach so gar nicht den Fernsehbildern herzlicher |
| 21 | | Begrüßungsrituale: Furcht und Ablehnung schlug den Besuchern aus Deutschland |
| 22 | | entgegen. Zu oft schon hatten sich die Indios von geschäftstüchtigen Kamerateams und |
| 23 | | sensationshungrigen Abenteurern getäuscht gefühlt. Dennoch gelang der Brückenschlag |
| 24 | | zwischen den Ankömmlingen und den Indianern: Während die Yanomami-Männer ihrem |
| 25 | | Unmut freien Lauf ließen, gingen die Frauen und Kinder auf die Besucher aus |
| 26 | | Deutschland zu, zogen sie beiseite und hießen sie willkommen. »In der Welt der Weißen |
| 27 | | sind Kinder noch ehrlich«, waren die Frauen überzeugt. |
4 | 28 | | Schnell merkten die Yanomami, daß die Kinder nicht als aufdringliche Touristen |
| 29 | | vorbeischauen wollten, sondern ehrlich daran interessiert waren, mit ihnen für eine Weile |
| 30 | | zusammenzuleben. Das Eis war gebrochen, als die Indianerkinder den Besuchern Gesicht |
| 31 | | und Oberkörper mit Pflanzenfarbe bemalten: Was auf den ersten Blick wie kunstvolle |
| 32 | | Körpermalerei aussah, stellte sich als Mückenschutz heraus. |
5 | 33 | | In den folgenden Wochen bekamen die Kinder einen spannenden Einblick in den |
| 34 | | Yanomami-Alltag. Wie ihre Gastgeber schliefen sie in Hängematten in Hütten, fuhren mit |
| 35 | | ihnen zur Bananenernte, halfen bei der Essensvorbereitung, gingen mit den |
| 36 | | Indianerkindern zum Baden. Zu essen gab es Maniok mit dem Fleisch von Tukans, |
| 37 | | Schlangen, Piranhas. »Bei den Indianern ist es ein wenig wie bei uns. Bei denen leben doch |
| 38 | | auch Kinder und alte Menschen. Leicht haben sie's nicht, aber ich finde, dort läuft alles |
| 39 | | viel spielerischer ab als bei uns«, erinnert sich Patrick Alexander an seine Begegnung mit |
| 40 | | den Indianern. Das schönste Erlebnis des 11jährigen Gymnasiasten aus Haltern: |
| 41 | | Zusammen mit den Indianern Piranhas fischen und zu einer leckeren Mahlzeit herrichten. |
6 | 42 | | Vieles haben Patrick und seine kleinen Reisebegleiter fürs Leben gelernt. Dabei |
| 43 | | aber haben sie auch erfahren, daß sie nie so leben könnten, wie ihre Freunde am 000000. |
| 44 | | Patrick: »Ich war froh, als ich zu Hause endlich mal wieder meinen CD-Player aufdrehen |
| 45 | | konnte!« |