1 | 1 | | Der Blick aus unserem Kuppelfenster macht trist: Himmel und Nordsee |
| 2 | | verschmelzen zu einem grauen Schleier, Regen treibt in schnellen Fäden über das Plexiglas. |
2 | 3 | | Wir sind auf Übungsflug mit einem »Sea King«-Helikopter des |
| 4 | | Marinefliegergeschwaders 5. »SAR« steht in großen Buchstaben auf dem Rumpf der |
| 5 | | Maschine. »Search and Rescue« heißt das, Suchen und Retten. Jetzt suchen wir in der |
| 6 | | grauen Suppe verabredungsgemäß drei Schnellboote der Bundesmarine, um- |
| 7 | | trainingshalber - 110 Kilometer westlich von Helgoland ein paar Seeleute aus der Luft per |
| 8 | | Winsch (1) aufzunehmen und wieder abzusetzen. Wenige Meter nur schwebt der |
| 9 | | Hubschrauber neben den Schiffen über der Wasseroberfläche. An einer Seilwinde wird |
| 10 | | eine Schlinge heruntergelassen, die einem vorgeblich Schiffbrüchigen um den Oberkörper |
| 11 | | gelegt wird. Zügig wird er in den Hubschrauber gehievt und übungshalber wieder auf dem |
| 12 | | Schiffsdeck abgesetzt. Ausbildungsroutine, die sich bewährt hat: Pro Jahr retten die |
| 13 | | »SAR«-Hubschrauber zusammen mit Flugzeugen und Schiffen der Marine rund 350 |
| 14 | | Seeleute, Segler, Surfer und Wattwanderer aus akuter Lebensgefahr. |
3 | 15 | | Das lockere Gespräch in meinen Kopfhörern wird plötzlich konzentriert: »Da vorn, |
| 16 | | der Fischkutter«, höre ich Kapitänleutnant Weis, den Kommandanten, sagen, »da stimmt |
| 17 | | doch was nicht. Da gehen wir mal ran.« |
4 | 18 | | Ran heißt runter. Auf 30 Meter. Der Kutter, zunächst spielzeugklein, kommt näher, |
| 19 | | wird großer - und da sehe ich es auch: Der Kutter zieht eine Schleppe hinter sich her, sein |
| 20 | | Kielwasser verfärbt das Meer. »Der pumpt doch tatsächlich ÖI oder anderen Schweinkram |
| 21 | | über Bord«, sagt Kapitänleutnant Weis, »da nehmen wir mal 'ne Wasserprobe.« |
5 | 22 | | »Unglaublich«, höre ich Copilot Monthe über Kopfhörer, »da sind die Zeitungen |
| 23 | | voll von Killer-Algen, toten Fischen und sterbenden Seehunden - und ausgerechnet ein |
| 24 | | Fischer pumpt Schiet in die Nordsee. Hoffentlich kriegen sie den zu fassen. « |
6 | 25 | | Das wird gar nicht so einfach sein. Zwar übergeben wir die Flasche mit dem |
| 26 | | Dreckwasser ein paar Minuten später der in der Nähe kreuzenden Schiffahrtspolizei, doch |
| 27 | | der Kutterkapitän hat große Chancen, ungestraft davonzukommen. Denn: Um ihn |
| 28 | | überführen zu können, muß er erst mal in einem Hafen gefunden, eine Probe aus seinen |
| 29 | | Tanks genommen und mit unserer Wasserprobe verglichen werden. Erst dann, wenn |
| 30 | | nachgewiesen ist, daß dieses schmierige Kielwasser von seinem Schiff stammt, kann der |
| 31 | | Fischer bestraft werden. »Aber erstens werden die Sünder selten überführt, und zweitens |
| 32 | | sind die Strafen lachhaft gering«, sagt Kapitänleutnant Weis. »Kein Wunder, daß die |
| 33 | | Nordsee kaputtgeht. Da können wir noch soviel Umweltüberwachung betreiben.« |
7 | 34 | | Mit »wir« meint Weis alle Marineflieger der Bundeswehr. Die - und das ist in der |
| 35 | | Öffentlichkeit nahezu unbekannt - einen großen Teil ihrer Tätigkeit in den Dienst des |
| 36 | | Umweltschutzes gestellt haben. |
8 | 37 | | Ausschließlich zur Umweltüberwachung aus der Luft sind zwei speziell ausgerüstete |
| 38 | | »Do 28«-Flugzeuge im Einsatz. In rund 250 Einsätzen mit über 700 Flugstunden pro Jahr |
| 39 | | fahnden sie über Nord- und Ostsee nach Ölsündern. Mit Erfolg: Seit Beginn ihres |
| 40 | | Einsatzes im Jahr 1986 ist die Zahl der festgestellten Verschmutzungen deutlich |
| 41 | | zurückgegangen. Zwar wurden im vergangenen Jahr nur sechs Straftäter dingfest gemacht, |
| 42 | | aber die Kapitäne trauen sich aufgrund der permanenten Überwachung immer seltener, |
| 43 | | ihren Dreck über Bord zu pumpen - sie könnten ja von den Spähern am Himmel auf |
| 44 | | frischer Tat ertappt werden. |
9 | 45 | | Andere Zeiten, andere Zwänge. »Wenn heute unsere Marineflieger nicht nur den |
| 46 | | Frieden sicherer machen, sondern auch noch zur Bewahrung unserer Umwelt beitragen«, |
| 47 | | sagt Admiral Kurt Ziebis, Kommandeur der Marinefliegerdivision in Kiel-Holtenau, |
| 48 | | »dann sind wir mehr als nur ein militärisches Einsatzmittel und können unser 75jähriges |
| 49 | | Jubiläum mit Stolz begehen.« |