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Von der Dreherin zur Meisterin

Van der Dreherin zur Meisterin

11    Friseuse, Verkäuferin oder Sekretärin? Cornelia Schnaible ist nur einen kurzen
2 Moment irritiert. Dann sprudelt die zierliche junge Frau los: »Alles nichts für mich. Ich
3 war schon immer technisch interessiert. Deshalb kam für mich auch nur ein Beruf in
4 Frage, der in die entsprechende Richtung ging.« Cornelia Schnaible, 25 Jahre,
5 Industriemeisterin Metall bei Daimler-Benz. Als Facharbeiterin mit Meisterabschluß ist
6 sie anerkannte Fachkraft im gewerblichen Bereich der Metallindustrie.
27    Angefangen hat die Realschülerin als Dreherin - so hieß der Beruf früher. Seit der
8 Neuordnung der Ausbildung in den industriellen Metall- und Elektroberufen im Jahre
9 1987 ist die korrekte Bezeichnung schwieriger: Zerspannungsmechaniker, Fachrichtung
10 Drehtechnik. Vor wenigen Jahren war das noch reine »Männersache«. Cornelia erinnert
11 sich: »In meinem Freundeskreis haben alle etwas komisch geschaut, als ich die Lehre
12 anfing - aber das war nur die ersten Wochen so. Dann haben sich alle dran gewöhnt.«
313    Drei Jahre dauerte die Ausbildung damals. Danach arbeitete Cornelia vier Jahre
14 lang an einer computergesteuerten Maschine, stellte Automatenteile her. Schichtbetrieb,
15 täglich von 6 Uhr bis nachmittags 15.35 Uhr oder von nachmittags bis in den späten
16 Abend. »Als ich 24 wurde, habe ich mich zum Meisterkurs angemeldet. Einerseits, um
17 mich weiterzubilden. Andererseits aber auch, weil ich etwas Neues ausprobieren wollte.«
418    In der Meisterschule stand Cornelia vor einer ähnlichen Situation wie bei ihrer
19 Lehre: Von 30 Teilnehmern waren 28 Männer. Den Schneid konnten sie der zierlichen Frau
20 nicht abkaufen: »Ich lernte mich durchzusetzen.« Cornelia ist sicher: In wenigen Jahren
21 wird sich die Situation in den Betrieben grundlegend gewandelt haben. »Mittlerweile
22 haben viele Frauen die Scheu vor der Technik verloren. In ein paar Jahren«, prophezeit die
23 Badenerin, »sind sie in Meisterkursen genauso stark vertreten wie die Männer«,
524    Ein weiterer Grund für diese erfreuliche Entwicklung: Die Berufe in der Metall-
25 und Elektroindustrie gelten als ausgesprochen zukunftssicher. Cornelia muß sich nie
26 Sorgen machen. Als Meisterin hat sie die Möglichkeit der Arbeit in der Werkhalle oder
27 einer Tätigkeit in der Verwaltung. Das notwendige Wissen dafür hat sie im Meisterkurs
28 erworben. Selbstbewußt meint sie: »Mir stehen viele Wege offen - für welchen ich mich
29 letztlich entscheide, weiß ich heute noch nicht.
630    Was für Cornelia zählt: Sie hat bewiesen, daß sie etwas von ihrem Beruf versteht.
31 Das kommt an - und zahlt sich auch in barer Münze aus. Industriemeister verdienen in der
32 Metall- und Elektroindustrie im Schnitt zwischen 4.000 und 4.500 Mark brutto.
33 Voraussetzung: Die Bereitschaft, immer auf dem laufenden zu sein.
734    Wenn Cornelia Schnaible abends nichts vorhat, blättert sie deshalb in ihren
35 Fachbüchern, geht die Aufzeichnungen des Meisterkurses durch: »Viele Sachen vergißt
36 man so schnell. Wenn man im Beruf weiterkommen will, muß man dranbleiben. Und
37 »dranbleiben- will Cornelia auf jeden Fall: »Zum Glück haben inzwischen auch die
38 meisten Männer begriffen, daß Frauen im Beruf etwas erreichen wollen«, ist Cornelia
39 überzeugt. Das kann "man(n)" der energischen Badenerin ruhig abnehmen!
Stuttgarter Nachrichten, 3.3.1990