| | | Je kaputter, desto besser? |
1 | 1 | | Es gibt wohl kaum eine Schule, die die zunehmende Zerstörungswut nicht zu |
| 2 | | spüren bekommt. Da werden Toiletten mit Klopapierrollen verstopft, Türklinken |
| 3 | | abgerissen und Waschbecken, Spiegel oder Fenster zerschlagen. In den Klassenzimmern |
| 4 | | sind die Wände verschmiert, und auch die Tische und Stühle halten dem Umgang mit |
| 5 | | schlagkräftigen Schülern nicht ewig stand. |
2 | 6 | | Und das alles gröl3tenteils »aus Spaß « oder »aus Langeweile« ? Die s nämlich |
| 7 | | bekam die Soziologie-Professorin Ruth Klockhaus bei einer Umfrage unter rund 3000 |
| 8 | | Schülern im Nürnberger Raum als häufigste Antwort zu hören. Es stellte sich heraus, dass |
| 9 | | rund 70% der Gymnasial, Real- und Hauptschüler sich bereits mindestens einmal an |
| 10 | | einer »vandalistischen Tat« beteiligt hatten. |
3 | 11 | | Einig sind sich die Psychologen inzwischen, dass die Schuld für die Zerstörungswut |
| 12 | | (und die damit verbundenen Schäden) nicht allein den Schülern in die Schuhe geschoben |
| 13 | | werden darf. |
4 | 14 | | Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gerade in den Schulen die |
| 15 | | architektonische Gestaltung mit der Aggression in direktem Zusammenhang steht. Graue |
| 16 | | Betonbauten mit kahlen Gängen und unpersönlichen Klassenzimmern, in denen weder |
| 17 | | Poster noch B1umentöpfe erlaubt sind, machen es den Schülern schwer, sich wohl zu |
| 18 | | fühlen. Die Schulzentren werden immer gröl3er und damit für den einzelnen |
| 19 | | unpersönlicher. Zu dem Fachlehrer, der seine Klasse nur wenige Stunden pro Woche |
| 20 | | sieht, kann sich gar nicht mehr als ein oberflächliches Verhältnis entwickeln. |
5 | 21 | | Zumindest was die Optik betrifft, könnte manches Übel beseitigt und eine |
| 22 | | freundlichere Atmosphäre geschaffen werden. Es gibt bereits Versuche, wo die Schüler |
| 23 | | ihre Schule selbst mitgestalten und zum Pinsel greifen dürfen. Aber noch immer scheitern |
| 24 | | solche Verschönerungsaktionen allzu oft an der Schulleitung. |
6 | 25 | | Vandalismus, wie die Experten die Lust am Zerstören nennen, beschränkt sich |
| 26 | | jedoch längst nicht nur auf die Schulen. Alle möglichen Gegenstände und Einrichtungen |
| 27 | | dienen al s Zielscheibe. |
7 | 28 | | Ganze Cliquen ziehen oft los. Gemeinsam etwas ausfressen und gemeinsam darum |
| 29 | | bibbern, nicht erwischt zu werden, macht erst den Reiz au s. Wer mitmacht, gehört dazu |
| 30 | | und wird anerkannt, wer sich ausschliel3t ist ein »Feigling« . Wer kennt diesen |
| 31 | | Gruppendruck nicht au s eigener Erfahrung ? Zu sagen »nicht mit mir«, wenn es zum |
| 32 | | Abschluss einer tollen Fete noch darum geht, Scheibenwischer »einzusammeln«, ist nicht |
| 33 | | immer leicht. |
8 | 34 | | Doch alles, was unter den Begriff »Vanda lismus« fällt, als Mutprobe oder einfach |
| 35 | | als Spal3 und Zeitvertreib zu erklären, genügt sicher nicht. Wenn auf Friedhöfen |
| 36 | | Grabsteine umgeworfen und Blumen ausgerissen werden oder Lagerhallen in Flammen |
| 37 | | aufgehen, sind sicher noch andere Ursachen für diese Aggression mit im Spie!. |
9 | 38 | | Eine gewisse Wut über den Lebensstil der Erwachsenen, die alles genau planen und |
| 39 | | eine genormte, pflegeleichte Umwelt schaffen, steckt sicher dahinter. |
10 | 40 | | In gewisser Weise ist der Vandalismus wohl auch ein Spiegelbild unserer |
| 41 | | Wegwerfgesellschaft. Was kaputtgeht, kommt in die Mülltonne, Ersatz gibt's ja im |
| 42 | | Kaufhaus. Und die gröl3eren Schäden zahlt sowieso die Versicherung. Kein Wunder, |
| 43 | | wenn auch Kinder und Jugendliche den Wert von Gegenständen nicht zu schätzen |
| 44 | | wissen. |
11 | 45 | | Durch Bestrafung bringt man es ihnen sicher auch nicht bei . Wichtiger ist es, den |
| 46 | | Grund für die Aggressionen zu beseitigen. Aber das hieße ja, dass die Erwachsenen |
| 47 | | manchen Fehler eingestehen müßten und da ist es doch einfacher, mit dem Finger auf |
| 48 | | die »bösen Jugendlichen« zu zeigen. |