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Rauchen verboten

Rauchen verboten

11    Als die Deutsche Bundesbahn das Rauchen einstellte, war dies gewiß ein großer
2 Fortschritt. Vor allem die Umwelt links und rechts der Schienenstränge konnte aufatmen:
3 moderne Elektroloks sind deutlich leiser als ihre dampfenden Vorfahren, verursachen
4 nicht mehr als ein Hundertstel an Luftverschmutzung und verbrauchen nur ein Fünftel
5 der Energie. Trotz alledem denken Eisenbahnfreunde oft mit etwas Wehmut zurück an
6 die »gute« alte Zeit der Dampfrösser. Die schwarzen Ungetüme waren zwar laut und
7 schmutzig, aber von ihnen ging eine fesselnde Faszination aus, deren Zauber sich kaum
8 ein Jungenherz entziehen konnte.
29    Lokführer auf einer »Dampfe«, das war jahrzehntelang der Traumberuf viel er
10 Jungen, vor allem, wenn sie in der Nähe eines Bahndammes wohnten. Da schreckten
11 nicht die rußgeschwärzten Gesichter, die aus den Führerhäuschen schauten und auch
12 nicht die widrigen Arbeitsbedingungen, die den Steuermann der Schiene erwarteten.
313    Dampflokomotiven haben einen geringeren Wirkungsgrad und verbrauchen deshalb
14 wesentlich mehr Energie als die elektrischen Lokomotiven. Aber auch ihr
15 Energieverbrauch läßt sich durch die Fahrweise beeinflussen. Deshalb wurden mit den
16 begehrten Kohleprämien Lokführer und Heizer dazu motiviert, möglichst sparsam zu
17 fahren. Werner Rupp befuhr die Strecke Berlin-Hamburg, und er erzählte gerne, wie er
18 und sein Heizer ein Fünftel der Strecke »ohne Kohle« fuhren: »Bereits 60 Kilometer vor
19 Berlin wurde nichts mehr reingeschippt, dann nahm der Heizer nur die Harke und hat
20 alles, was hinten in der Feuerkiste war, so lange durchgeharkt, bis wir mit einem
21 dunkelrot glühenden Kessel und völlig ausgebranntem Feuer in Berlin ankamen.«
422    Zum möglichst umweltschonenden Fahren hielten auch die Ehefrauen der
23 Eisenbahner ihre Männer an, denn überflüssige Rauchfahnen verschmutzten die Wäsche
24 auf den Balkonen entlang der Strecke. Manche Eisenbahnerfrau soll sogar mit dem
25 Feldstecher am Fenster gestanden und qualmende Lokführer oder Heizer höheren Orts
26 verpfiffen haben - denn Qualmen war streng verboten. Eindrucksvolle Kalender-Fotos
27 von fahrenden Dampflokomotiven mit imposanten Rauchgebilden über dem Schornstein
28 sind oft »gestellt«. Gegen ein schönes Trinkgeld vom Fotografen hat das Lokpersonal
29 schon mal nachgeholfen.
530    Offiziell ging das zwar nicht ganz saubere, aber doch sehr ruhmreiche Zeitalter der
31 Dampflokomotive bei der Bundesbahn am 26. Oktober 1977 mit dem letzten regulären
32 Einsatz einer Dampflokomotive in Rheine zu Ende. Aber das war nur das amtliche
33 »Aus«. Engagierte Eisenbahnfreunde haben einige der ausrangierten Loks vor dem
34 Schrottplatz gerettet und sie für Nostalgiefahrten wieder fahrtüchtig gemacht. Auf fast 40
35 Nebengleisen dampft es dann an einigen Tagen im Jahr, und es ertönt die unverkennbare
36 Stimme der dampfbetriebenen Signalpfeife. Sie hat 150 Jahre Eisenbahngeschichte in
37 Deutschland maßgeblich geprägt.
Junge Zeit. Februar 1986