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Mascha Blankenburg

 

Mascha Blankenburg

11    »Es gibt keine Dirigentinnen. Warum willst ausgerechnet du eine Dirigentin
2 werden?« erkundigte sich ihr Vater verblüfft.
23    »Gehen Sie dahin zurück, wo Sie herkommen, in die Küche«, empfahl Dirigent
4 Hans Swarowsky, als sie sich zu einem seiner Dirigenten-Meisterkurse in Wien anmelden
5 wollte.
36    Das liegt zwar 22 Jahre zurück, ab er Mascha Blankenburg, 43, regt sich immer noch
7 darüber auf. »Seit dem Mittelalter werden die Frauen in der Musik unterdrückt«,
8 schimpft sie, »dabei gab es damals schon Komponistinnen. Aber die Musikgeschichte
9 schweigt sie tot.«
410    Aber Mascha Blankenburg, klein, zäh, brennend vor Tatendrang, ist nicht die Frau,
11 die sich abschrecken lässt. Sie absolvierte den Dirigenten-Meisterkurs - als einzige Frau
12 unter 80 Männern. Sie schnitt so gut ab, dass sie das Abschlusskonzert dirigieren durfte.
513    Heute gehört sie zu den Großen in der Musik. Viel gefragt, immer unterwegs, auf
14 Auslandstourneen und bei Schallplattenaufnahmen, bei Proben mit dem von ihr
15 gegründeten Laienchor »Kölner Kurrende« . Und als festangestellte Kirchenmusikerin in
16 Köln muss sie auch noch Kirchenkonzerte vorbereiten.
617    Als Dirigentin gilt Mascha Blankenburg noch immer als exotische Ausnahme in
18 einer von Männern dominierten Welt. An Schornsteinfegerinnen und Pilotinnen mag man
19 sich inzwischen gewöhnt haben, aber eine Frau am Pult vor einem großen
20 Symphonieorchester - das erfüllt die meisten Musikfreunde immer noch mit Skepsis.
721    Ein Musikkritiker schrieb über sie: »Sie vertauschte den Kochlöffel mit dem
22 Taktstock.« Dabei kann man sich diese Frau mit allem möglichen vorstellen, aber
23 zuallerletzt mit einem Kochlöffel. Sie wuchs in einem musischen Elternhaus auf, als
24 Sechsjährige bekam sie Klavier-, Geigen-, Orgel- und Ballettunterricht.
825    Alles , was Mascha Blankenburg je interessierte, was sie bewegte, was sie
26 ausdrücken wollte, hatte mit Musik zu tun. Das Herzstück ihrer Kölner Altbauwohnung
27 ist denn auch ein schwarzer, alles andere ins Abseits drängender Steinway-Flügel.
928    Mascha Blankenburg ist eine »Macherin«, und in ihrer Umgebung kann man es
29 sich nur schwer gemütlich machen. Während sie sich unterhält, organisiert sie
30 gleichzeitig: Eine Chorprobe wird telefonisch verschoben, und da liegt eine Anfrage zum
31 Frauen-Musikfestival in Unna vor, das sie mit ins Leben gerufen hat. Irgendwo muss sie
32 Geld für die Konzertproben auftreiben. Zwischendurch fällt ihr ein , da/3 sie kürzlich
33 Noten einer vergessenen Komponistin aus dem 18. Jahrhundert entdeckt hat - und gräbt
34 zwischen Büchern und Zetteln, um sie schliel3lich zu präsentieren.
1035    Als Dirigentin ist Mascha Blankenburg auch gleichzeitig ihre eigene Managerin.
36 Nach so etwas Banalem wie etwa Privatleben und Männern wagt man kaum zu fragen .
37 Dabei hat sie sogar einen Ehemann, den sie allerdings gerade verlassen hat. Nach 13
38 Jahren. »In aller Freundschaft«, wie sie betont, »aber ich muss einfach autonom
39 bleiben.«
40 Obwohl hochbegabt und immer hochgelobt, hat sie sich als Dirigentin förmlich
41 durchboxen müssen: »Ein Mann kann auch mal einen schlechten Tag haben, als Frau
42 musst du immer Spitze sein.« Sie hat nichts gegen Männer, aber Musik von Frauen und
43 mit Frauen ist ihr am liebsten. »Männliche Musiker brauchen immer eine Autorität am
44 Pult «, sagt sie. »Wenn ich einen Cellisten frage, wie er denn eine bestimmte Stelle
45 nehmen würde, dann denkt er gleich: Die hat keine Ahnung.«
1146    Musikerinnen findet Mascha Blankenburg unverkrampfter und natürlicher.
47 Deswegen hat sie vor einem Jahr da s erste Frauen-Symphonieorchester gegründet.
48 Gespielt werden vor allem Werke von Komponistinnen - denn die hat es zu allen Zeiten
49 gegeben. Mascha Blankenburg will ihnen - und den musikalischen Frauen überhaupt endlich
50 das nötige Gehör verschaffen.
Freundin , 28.10.1988