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Ich sehreibe auch Kollegen auf

 

Ich sehreibe auch Kollegen auf

11    »Ich schreibe auch Kollegen auf - selbst wenn ich dann beim Betriebsfest einen
2 ausgeben muß.« Friedrich Bode, beim Ordnungsamt der Stadt Gifhorn zuständig für, wie
3 es so schön amtsdeutsch heißt, »die Überwachung des ruhenden Verkehrs«, ist hart in
4 der Sache, aber verbindlich im Umgangston. Wenn er Parksünder »aufschreibt« und die
5 Betroffenen kommen gerade darauf zu, muß er sich schon so einiges anhören.
6 »Arbeitsscheues Gesindel« gehört noch nicht einmal zu den stärksten Schimpfwörtern,
7 die ertappte Parksünder Friedrich Bode schon an den Kopf geworfen haben, aber er
8 versucht, immer gelassen zu bleiben. »Man macht sich nun mal unbeliebt, wenn man von
9 jemandem Geld will. Aber auf Streitereien lasse ich mich nicht ein. Meist reagiere ich gar
10 nicht.«
211    Dabei ist Bode völlig »unschuldig« an seinem Tun - er überprüft nur so
12 gewissenhaft wie möglich, ob die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung eingehalten
13 worden sind. Und dass sie ihr »Knöllchen« zu Recht erhalten haben, sehen die
14 Falschparker in der Regel ein. »Einmal hat mich einer ganz unflätig beschimpft. Am
15 nächsten Tag kam er dann doch zum Bezahlen, hat sich entschuldigt und zehn Mark in
16 die Kaffeekasse gespendet.« Zehn Mark für die Kaffeekasse gab es auch von einem
17 anderen »Sünder«, der in einem Brief mit herzlichen Neujahrsgrüßen an die »Lieben
18 Ordnungshüter« erklärte: »Ihr erhaltet bestimmt wenig Lob ..., ehrlich, ich habe mich
19 nicht geärgert oder geschimpft, sondern habe schuldbewusst zur Kenntnis genommen,
20 daB auch Ihr Eure Pflicht erfüllt.« Den Brief heben Bode und seine Kollegen auf - er
21 dient zur »moralischen Aufrüstung«, wenn es mal wieder viel Ärger gab.
322    Und über Mangel an Ärger können die »Ordnungshüter« nicht klagen. Denn auch
23 ohne direkten Kontakt zu unerfreulichen Zeitgenossen ist Friedrich Bode immer auf
24 deren Spuren. Seine Aufgabe ist es unter anderem auch, die 192 Parkuhren im
25 Stadtbereich zu warten und zu überprüfen. Dabei muß er täglich feststellen, daB
26 knauserige Autofahrer den Groschen sparen oder Verantwortungslose ihr Mütchen
27 kühlen wollen. »Die stecken alles in die Parkuhren hinein: Büroklammern, Streichhölzer,
28 Münzen ausländischer Währung, Unterlegescheiben und Kaugummi. Es vergeht kein
29 Tag, an dem nicht etwas zu reparieren ist.«
430    Am meisten zu tun hat Friedrich Bode montags. Dann entfernt er die Spuren des
31 feuchtfröhlichen Wochenendes. »Manchmal kann man sich schon ärgern, daûeinige
32 Leute ihren Übermut an wehrlosen Gegenständen auslassen, wobei sie den Schaden ja
33 über die Steuergelder selbst mitbezahlen müssen.« Doch dann kommt Friedrich Bodes
34 Optimismus wieder durch: »Aber wenn man das wollte, könnte man sich den ganzen Tag
35 ärgern.« Er denkt lieber an die positiven Seiten seiner Arbeit: »Ich brauche nicht den
36 ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen, das wäre nichts für mich. Im Sommer beneiden
37 mich die Leute, wenn ich durch die Sonne gehe und den ruhenden Verkehr überprüfe.
38 Daß man sich im Winter die Finger abfriert, daran denken sie allerdings nicht.«
539    Und schliel3lich sieht Bode, der übrigens auch für die Aufstellung von
40 Verkehrszeichen, die Markierung von Fahrbahnen und die Überwachung von Baustellen
41 zuständig ist, seine Arbeit trotz aller Korrektheit nicht verbissen : »Ich will ja nicht der
42 Schrecken von Gifhorn werden und alles, was kreucht und tleucht, anzeigen.« Bestechen
43 läßt er sich nicht, ab er im Rahmen seines Ermessensspielraumes »bleibt er Mensch« :
44 »Neulich habe ich mal eine Verwarnung ausgeschrieben, und der Fahrzeugführer hatte
45 die Parkscheibe doch im Wagen, allerdings auf dem Sitz liegen, da habe ich den
46 Strafzettel weggeworfen.« Schließlich, so weiß Bode nach 19jähriger Berufserfahrung,
47 müssen seine Verwarnungen notfalls einer Gerichtsverhandlung standhalten. »Ich muss
48 oft auch vor Gericht aussagen. Aber in den meisten Fällen muß der Autofahrer zahlen.
49 Ich schreibe ja schliel3lich die Verwarnungen nicht aus Willkür aus.«
Braunschweiger Zeitung, 27.3.1982