| | | Die Passagiere frühstücken im Zug |
1 | 1 | | Heinz Zautke sitzt zufrieden im Führerhaus seiner Lok, die gemütlich durch die |
| 2 | | verschneite Landschaft des Bergischen Landes zockelt. Für ihn ist die Welt wieder in |
| 3 | | Ordnung. Das war nicht immer so . Seit 35 Jahren steuert der 56 jährige aus Engelskirchen |
| 4 | | die Züge der Bundesbahn (DB) über die Strecke von Köln nach Gummersbach und |
| 5 | | zurück und wäre dabei fast auf dem Abstellgleis gelandet. |
2 | 6 | | Wie für viele andere Bahnverbindungen außerhalb der großen Ballungszentren, |
| 7 | | schien auch für die Route durchs idyllische Aggertal da s letzte Stündlein gekommen zu |
| 8 | | sein. Immer weniger Passagiere fuhren mit den Zügen. Schließlich waren die Waggons so |
| 9 | | leer, dass die Bundesbahn die Strecke zwischen der Domstadt und dem Oberbergischen |
| 10 | | Kreis au s ihren Fahrplänen streichen wollte. Doch es kam alles ganz anders - wohl auch |
| 11 | | deshalb, weil die Politiker der betroffenen Gemeinden entlang der Bahngleise Sturm |
| 12 | | gegen die Sparpläne des Bundesunternehmens gelaufen sind . |
3 | 13 | | Heute ist von Stilllegung keine Rede mehr. Die Bahn hat zwischen Köln und |
| 14 | | Gummersbach nicht - wie auf manch anderen Routen - eingepackt, sondern mächtig |
| 15 | | Dampf gemacht. Nun fahren die Züge zwischen den beiden Städten sogar im |
| 16 | | Stundentakt (früher nur ganz selten), und der Staatsbetrieb rührt mächtig die |
| 17 | | Werbetrommel. »Ohne Stau nach Köln « heißt es .auf den Plakaten, die auf Bahnsteigen, |
| 18 | | an Bahnhöfen und an überlasteten Straßen neue Kunden locken solle n. Schließlich muss |
| 19 | | sich die Eisenbahn gegen eine Konkurrenz zur Wehr setzen, die ihr fast den Garaus |
| 20 | | gemacht hätte: die Autobahn 4 nach Olpe, die fast parallel zu ihren Gleisen verläuft. |
4 | 21 | | Der Erfolg blieb nicht aus, und Arnold Göntgen, Projektleiter »City-Bahn« bei der |
| 22 | | Kölner DB-Direktion, ist fest davon überzeugt, dass alles noch besser wird und seine |
| 23 | | Züge die jährlichen Mehrkosten von 1,057 Millionen Mark bald einfahren werden. Nach |
| 24 | | Einführung des neuen Fahrplans mit dem teuren Stundentakt im September 1984 ist das |
| 25 | | Fahrgastaufkommen um 15 Prozent gestiegen. 30 Prozent will Göntgen erreichen, und im |
| 26 | | Juni geht es erst richtig los. Dann startet der zweijährige Modellversuch »City-Bahn« zur |
| 27 | | Verbesserung des Nahverkehrs mit Volldampf. 21 Waggons aus dem Wagenpark, |
| 28 | | sogenannte Silberlinge, werden zur Zeit im Ausbesserungswerk Hannover auf |
| 29 | | Vordermann gebracht. Sie erhalten neu entwickelte Sitze, bunte Farben, Großraumabteile |
| 30 | | mit durchlaufenden Gepäckablagen und einen Mehrzweckraum, in dem Rollstuhlfahrer, |
| 31 | | Mütter mit Kinderwagen und Passagiere mit sperrigem Gepäck bequem unterkommen. |
| 32 | | Von den sechs Zugpaaren, die ab Juni auf der einst für die Bahn so kostspieligen Strecke |
| 33 | | verkehren werden, erhält eines sogar eine City-Bar, in der es Getränke, Brötchen und |
| 34 | | Frikadellen zu Preisen gibt, die denen der herkömmlichen Zugrestaurants gut anstehen |
| 35 | | würden. |
5 | 36 | | Schon jetzt rollt eine »City-Bahn« im Probebetrieb zwischen Köln und |
| 37 | | Gummersbach hin und her. Ihre Bar ist zwar noch ein Provisorium, doch da s Brötchen |
| 38 | | für eine Mark und die Frikadelle für 1,50 Mark trösten darüber hin weg . Bei den |
| 39 | | Fahrgästen kommt das Angebot gut an . Sie frühstücken im Zug und bedienen sich an den |
| 40 | | beiden Getränkeautomaten. |