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Das Geschäft mit der Parknot

 

Das Geschäft mit der Parknot

11    Der einzige Wald, von dessen Sterben niemand spricht, ist der Schilderwald. Und
2 eines seiner meist gehassten »Gehölze« ist in den Augen der Autofahrer dieses rot-blaue
3 Ding, das da besagt: Halten verboten ! Es steht so häufig in der Gegend herum, dass viele
4 Autolenker es zwar achselzuckend zur Kenntnis nehmen, aber ihr Gefährt trotzdem im
5 Halteverbot abstellen.
26    Was sollen sie auch anderes tun ? Parkraum ist, vor allem in den Innenstädten, so
7 selten wie ein Sechser im Lotto.
38    »Bei uns sind furchtbare Parksitten eingerissen «, seufzt denn auch Wolf-Dieter
9 Beck, Leiter der Abteilung Verkehrsrecht beim ADAC\) in München. Und um dieser
10 Verwilderung der Sitten Einhalt zu gebieten, werden auch die Methoden der Polizei
11 gegen Parksünder immer härter. Der Strafzettel hinter der Windschutzscheibe hat an
12 Wirkung verloren, seit immer mehr Falschparker die Gesetzeslücken ausnützen : Da ein
13 »Knöllchen« (Strafzettel) meist nur anhand de s Kfz-Kennzeichens ausgestellt wird, kann
14 der Halter des Wagens von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und
15 einfach den Fahrer nicht nennen. Die Folge: Das Verwarnungsgeld kann nicht erhoben
16 werden.
417    Also heißt es für die Ordnungshüter durchzugreifen. Beispielsweise abschleppen zu
18 lassen. Der ADAC hat errechnet, dass jedes Jahr rund eine Viertelmillion Autos an den
19 Haken kommen. Frankfurt und München liegen hi er an der Spitze, gefolgt von
20 Düsseldorf und Hamburg.
521    Stadtkämmerer und Abschleppunternehmer reiben sich die Hände. Denn die Autos
22 am Haken sind wahre Goldfische. Zu den rund hundert Mark Abschleppkosten plus
23 Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschlag kommt noch da s Bußgeld, das dem Stadtsäckel
24 zufließt.
625    Was die Parkplatzsuchenden Autofahrer zu r Weißglut treibt, ist letztlich die Folge
26 falscher Stadtplanungs- und Verkehrspolitik. Der »ruhende Verkehr« , wie Halten und
27 Parken im Fachjargon heißt, blieb jahrzehntelang links liegen. Hauptsache, die
28 Verkehrslawine rollte. Dafür wurden Milliarden Mark in Straßen aller Art investiert.
29 Zehn Millionen Verkehrszeichen, hunderttausend Ampeln - aber kaum Parkplätze.
30 Dabei, so hat der ADAC errechnet, fährt ein Auto nur rund zwei Stunden am Tag. 22
31 Stunden parkt es.

Weltbild, 7.6.1985