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Pfiffe In der Nacht

11     Das schrille »Pfeifkonzert« der Eisenbahn auf der Schwarzwaldstrecke raubt
2 vielen Schlafwagengästen die Nachtruhe. Die Vorschrift, daß vor jedem Tunnel ein
3 Warnsignal für etwa dort tätige Gleisarbeiter abgegeben werden muß, wird von ihnen als
4 Ärgernis empfunden. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Repnik aus Radolfzell,
5 ein regelmäßiger Gast im Schlafwagen, nahm sich des Problems an, wird er doch auf dem
6 Weg von oder nach Bonn auf der Strecke zwischen St.Georgen und Hornberg nicht
7 weniger als 36mal durch mißtönendes Gepfeife im Schlummer aufgeschreckt.
28     Der Parlamentarier schrieb an den Bahnhofsvorsteher von Radolfzell, der
9 wiederum den Brief an die zuständige Direktion Karlsruhe weiterreichte. Repniks
10 Vorschlag, den Schlafwagen doch einfach ans Ende des Zuges zu hängen, wurde von den
11 Bundesbahn-Oberen abschlägig beschieden. Das habe man schon früher ausprobiert,
12 hieß es in dem Antwortschreiben, doch da hätten sich die »Bahnschläfer« über die
13 unerträglichen Schlingerbewegungen des Wagens beschwert. Aber auch als der Wagen
14 mehr in der Mitte des Zuges durch die tunnelreiche Landschaft rollte, war's den müden
15 Reisenden nicht recht - nun störten die im Seitengang vorbeigehenden Fahrgäste. Also
16 bugsierte man den ungeliebten Schlafwagen an die Spitze des Zuges direkt hinter die Lok
17 - und da pfeift es nun am lautesten.
318     »Solchen Wirbel habe ich wirklich nicht gewollt«, sagte der Abgeordnete zu all
19 dem Ärger mit den schrillen Pfiffen. Immerhin habe er der Antwort aus Karlsruhe
20 entnommen, daß über eine allseits befriedigende Lösung des Problems nachgedacht
21 werde. Die Experten der Bahn meinen, man könne vielleicht die akustischen
22 Warnsignale auf dieser Strecke durch entsprechende Lichtsignale ersetzen. Diese
23 Möglichkeit müsse aber erst einmal durch Tests geklärt werden. Schließlich habe die
24 Sicherheit absoluten Vorrang. Vorerst also pfeift es weiter vor den 36 Tunneln im
25 Schwarzwald, wie es die Signalordnung vorschreibt.
 
     Rheinische Post, 15.12.1984