Background image

terug

Kleider aus zweiter Hand

Kleider aus zweiter Hand

11     Wer einst die abgelegten Sachen seiner Geschwister auftragen mußte, mag es nicht
2 verstehen: Gebrauchtes ist »in«, Je älter, desto besser, heißt die Devise mancher, meist
3 jugendlicher Kleiderkäufer. Und das ist nicht zuletzt ein Grund dafür, daß
4 »Secondhand-Shops« offenbar Konjunktur haben.
25     Ausgerechnet im Einzelhandel - wo die Klagen über die allgemeine
6 Kaufzurückhaltung nicht abreißen - nimmt die Zahl der Geschäftseröffnungen zu, setzen
7 manche sogar auf wachsende Sparsamkeit der Käufer. Statistisch hat der Bundesverband
8 des Textileinzelhandels (BTE) in Köln »dieses Phänomen« zwar nicht erfaßt. Doch
9 bestätigt ein Sprecher die Beobachtung, daß die Zahl der Läden wächst, in denen es von
10 Schmuck und Schuhen bis zum Smoking fast alles gebraucht zu kaufen gibt.
311     »Die Punks und Teds haben uns sehr geholfen«, sagt Karin von Burch, die bereits
12 vor zwölf Jahren eine Secendhand-Boutique in Köln aufmachte. Die ersten Jahre in
13 ihrem 30 Quadratmeter großen Laden waren entmutigend. Da war ein Tagesumsatz von
14 170 Mark schon »ganz doll«, erinnert sie sich. Damals gab es nur vereinzelt Geschäfte
15 mit Kleidung aus zweiter Hand. Das war in Berlin, München oder Hamburg, und viele
16 handelten mit Mannequin- oder Prominenten-Garderobe. Allenfalls mit Kindersachen
17 konnte man auf dem Markt für gebrauchte Textilien etwas Geld verdienen.
418     Auftrieb gab es, als die Mode früherer Jahre wieder schick wurde. Heute setzt Frau
19 von Burch in ihrem jetzt fast 100 Quadratmeter großen Laden etwa 250.000 Mark im Jahr
20 um und weiß manchmal kaum, wo sie soviel Altes beschaffen kann, wie ihre Kunden
21 gerne hätten. Da war es ein Glücksfall, als sie durch ein Inserat neulich den Sohn eines
22 Fabrikanten ausfindig machte, der noch Reste aus dem in den 50ern geschlossenen
23 Textilunternehmen seines Vaters aufbewahrt hatte. Der größte Teil der alten Sachen
24 kommt aus dem Ausland. Vor allem aus Nordamerika und England führen Großhändler
25 die Ware ein.
526     Die meisten Käufer sind jung. In der Kölner Boutique sind etwa 60 Prozent
27 zwischen 14 und 25. Erstaunlich gewachsen sei dabei die männliche Kundschaft, die ihr
28 Jacketts, Westen, Hosen und neuerdings besonders Hüte geradezu aus den Händen reiße,
29 »Davon hätte ich 300 Stück an manchen Tagen verkaufen können«, meint die Besitzerin.
630     Nicht zuletzt wegen des meist sehr jugendlichen Publikums sind die
31 Secondhand-Geschäfte für die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels kein
32 Marktfaktor. Auch gehen die Verbände davon aus, daß es beim Normalverbraucher doch
33 eine große Hemmschwelle gegen getragene Kleidung gibt.
 
     Oldenburgische Volkszeitung, 19.3.1983