Background image

terug

Man kauft wieder Duitsch

MAN KAUFT WIEDER DEUTSCH
 
   "Ein deutsches Gerät, das ist ja toll ." Mindestens zehnmal am Tag hörten Mitarbeiter der
Rundfunkwerke Schneider während der Düsseldorfer hifivideo-Messe diesen Spruch. Viele
Interessenten nahmen sich vor, ein deutsches Gerät zu kaufen. Ein Sprecher der Firma: "Ob
diese Leute das auch tun werden, können wir nicht nachprüfen. Aber es gibt einen deutlichen
5Trend zur deutschen Ware. Wir zum Beispiel haben bis jetzt mehr verkauft als im Vorjahr."
   Der Münchner Familienvater Jochen Stein wollte sich ein neues Farbfernsehgerät kaufen.
Er wählte "gefühlsmäßig" schließlich das deutsche Gerät von Grundig, obwohl ein japanischer
Sony-Fernseher preiswerter war und ihm gleich gut erschien. Herbert Klocker aus Friedrichshafen,
leidenschaftlicher Opel-Fan, prüfte beim letzten Autokauf, ob der Wagen wirklich in
10Rüsselsheim gebaut wurde. Er hofft, mit seiner Kaufentscheidung mindestens einen Arbeitsplatz
in Deutschland zu retten. Klocker weiß genau warum: er muß an zwei Tagen in der Woche
kurzarbeiten.
   Der umgekehrte Effekt sieht so aus: Jan Meier aus Neuss mußte sich letzte Woche gegen
heftige Vorwürfe seiner Arbeitskollegen wehren, als er stolz von seinem neuen Citroën erzählte.
15Sie fragten ihn verärgert, wie er bloß einen französischen Wagen fahren könne, wo doch unsere
Autoindustrie auf jeden Kauf angewiesen sei.
   Ein Grund für die neue .Kauf-deutsch-welle" ist die deutsche Wertarbeit. 65 Prozent der
Bundesbürger verbinden laut einer Allensbach-Umfrage mit "made in Germany" einen hohen
Qualitätsstandard. Wolfgang Weger vom Verband der Automobilindustrie nennt außerdem
20nachlassendes Interesse gegenüber ausländischen Erzeugnissen: "Die Euphorie darüber, etwas
Ausländisches zu besitzen, ist vorbei." Ein weiterer Grund: Auch Angst um den eigenen
Arbeitsplatz und Betroffenheit über Kurzarbeit in vielen Firmen lassen den Verbraucher zu
einheimischen Produkten greifen. Max Grundigs Feststellung: "Jedes japanische Auto in
Deutschland und jedes japanische Videogerät ist ein Arbeitsloser mehr", hat seine Wirkung
25gezeigt. Diskussionen am Arbeitsplatz und am Stammtisch führen immer wieder zur Frage:
Kann man durch den Kauf deutscher Waren Arbeitsplätze sichern?
   Da wollen die Politiker nicht hinterherhinken : Der badenwürttembergische Ministerpräsident
Lothar Späth kaufte sich vor kurzem Turnschuhe der deutschen Firma "adidas", um die
heimische Industrie zu unterstützen. Zu Hause mußte er jedoch entsetzt feststellen, daß sie
30in Taiwan gefertigt wurden.

Quick, 6.1.1983