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Hauptstadt der Wildschweine

 

Hauptstadt der Wildschweine

 
 Immer mehr Wildschweine verlassen die Wälder — und ziehen in die Stadt. In Berlin machen 8 000 von ihnen Gärten, Parks und Straßen unsicher.
 
1 Die Metropole ist die unumstrittene Hauptstadt der städtischen Wildschweine. Rund 5 000 sind im Stadtgebiet heimisch — in schwachen Zeiten. Doch: „Es werden immer mehr“, sagt Derk Ehlert, Jagdreferent in Berlin. Ungefähr alle drei Jahre steigt die Zahl der Tiere sprunghaft an, um dann für etwa zwei Jahre wieder auf „Normalmaß“ zu sinken. Aber jedes Mal ist der Spitzenwert höher als der vorherige. Etwa 500 000 Wildschweine wurden letztes Jahr bundesweit geschossen oder verendeten bei Verkehrsunfällen — vor vier Jahrzehnten waren es noch 50 000.
 
2 Doch warum verlassen die Tiere den Wald und ziehen in Stadtnähe? Es gibt viele Gründe: „Etwa die -18- “, so Ehlert. „In Raps- und Maisfelder fühlen sie sich wie im Paradies.“ In Berlin stehen zudem viele Eichen — Eicheln sind eines ihrer Leibgerichte. Auch das macht die Hauptstadt für Wildschweine zum beliebten Ausflugsziel. „Einen Komposthaufen riechen die auf drei Kilometer“, sagt Ehlert. Mülleimer mit Essensresten sind ebenso beliebt wie Beete, wo Blumenzwiebeln locken. Die Tiere vertilgen beinahe alles, was sie kriegen können: Würmer, Wurzeln, Mäuse, Kartoffeln. Und: Je mehr Futter, desto mehr Nachwuchs. Je mehr Nachwuchs, desto mehr neue Reviere müssen erobert werden — aus Gewohnheit wieder in der Stadt. Es gibt sogar Tierliebhaber, die „gezielte Fütterungen“ vornehmen und säckeweise Fressbares verteilen. Das ist zwar verboten, wird aber kaum bestraft. Weil es, so Ehlert, „nicht entscheidend für den Zuzug der Tiere ist“.
 
3 Für Wildschweine sind die grünen Achsen der Stadt sehr attraktiv: Über S-Bahn- Trassen, Brachen und Parkwege können sie praktisch jeden Ort der City erreichen, ohne sich allzu häufig auf Straßen begeben zu müssen. Vor einigen Jahren trabten zwei Tiere sogar mitten im Zentrum über den Alexanderplatz. „Im Wald werden Wildschweine stärker gejagt, in der Stadt sind sie sicherer“, so Ehlert.
 
4 Es gibt einen Plan, die Berliner Wildschweine besser im Zaum zu halten. Wie realistisch dieser Plan ist, ist allerdings umstritten. Die Idee: Über Futterautomaten könnte man den Tieren ein Anti-Baby-Hormon verabreichen. Viele Jäger wehren sich dagegen, denn dann dürften sie das Fleisch geschossener Exemplare — pro Kilo fünf Euro wert! — nicht mehr verkaufen. Ob sich die Wildschweine mit der mechanischen Fütterung anfreunden würden, ist außerdem fraglich. „Kein Schwein ist wie das andere“, sagt Ehlert. „Sie sind so individuell wie wir Menschen.“